Kunst, die Kunst verbirgt'
Haydns "Russische Quartette"
Kunst, die Kunst verbirgt sind Joseph Haydns Streichquartette Op. 33. Dem Geheimnis auf der Spur ist das 1997 gegründete Cuarteto Casals aus Madrid. Sie zeichnen mit ihrer Einspielung ein genaues Charakterprofil jedes einzelnen Satzes.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus dem Quartett Op. 33, Nr.2 ("Der Scherz")
So vieles haben wir in diesem dichten Haydn-Jahr für unsere Ohren Neues entdeckt, so vieles erfahren über diese Persönlichkeit, die ihre letzten Geheimnisse so gut hütet, nie zuviel preisgibt, nicht als Mensch und nicht als Komponist. Nach dem Trubel möchte ich mich auf eine leise und komplexe Disziplin der Komposition konzentrieren, die Königsdisziplin Streichquartett.
Haydn kündigte seinem Verleger Artaria die Quartette als "auf eine gantz neu Besondere Art" geschrieben an, was Generationen von Musikwissenschaftler und Musikwissenschaftlerinnen dazu veranlasst hat zu analysieren, worin denn das Neue bestünde? Die sechs Quartette sind zugänglicher, witziger, volkstümlicher als jene Op. 20. Aus den Menuett-Sätzen wurden durchwegs Scherzi (weshalb sein Op. 33 auch den Beinamen "Gli Scherzi" verpasst bekommen hat). Drei der Finalsätze stehen erstmals bei Haydn in Rondo-Form. Die Sätze sind kürzer und einfacher.
Überlegener Musikgeschmack
Hat Haydn etwa das Niveau gesenkt, um verständlicher zu werden? Am hübschesten hat es Charles Johnston formuliert in dem wie immer elegant, aufwendig und aufschlussreich gestalteten Booklet dieses Harmonia Mundi-Doppelalbums: "Das Op. 33 lässt nach wie vor in allen Dingen Haydns überlegenen Musikgeschmack erkennen, doch kommt er nun im Gewande der 'Kunst, die Kunst verbirgt' daher, die er in den nachfolgenden Quartetten und Sinfonien immer mehr verfeinern sollte."
Dem Geheimnis auf der Spur, glücklicherweise ohne es lüften zu wollen, ist das 1997 gegründete Cuarteto Casals aus Madrid. Sie zeichnen ein genaues Charakterprofil jedes einzelnen Satzes. Wagen dabei ganz eigenständige Gedanken auf Grund des Notentextes und scheinen Haydn aus der Musik des 18. und 17. Jahrhunderts zu verstehen. Lustvoll arbeitet das Cuarteto Casals Details aus, setzt Farbakzente, baut enorme Spannungen auf. Lustvoll, mit großem spielerischem Temperament und dabei nie übers Ziel hinaus schießend. Die Form, die Eleganz bleiben bewahrt und gerade aus dieser Spannung zwischen sprühender Verve und feinster Quartett-Manier entsteht eine intensive, suggestive Deutung, der man sich weder entziehen kann noch will.
Blitzsaubere Intonation
Klug und geschmackvoll wechseln sie beispielsweise die Tempi zwischen Scherzo und Trio-Teil, was durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Selbstverständlich scheint hingegen und daher kaum mehr erwähnenswert, dass sie sich technisch auf höchstem Niveau bewegen und blitzsauber intonieren. So wie sie über nichts hinweg spielen, kein Gedanke Haydns unbeachtet bleibt, gewinnt man den Eindruck, als hätte Haydn diese Quartette op. 33 für das Cuarteto Casals im fernen Madrid komponiert.
Als ad notum sei noch angemerkt, dass die Quartette am Weihnachtstag des Jahres 1781 uraufgeführt wurden - Joseph II. hatte hohen Besuch aus Russland: die Großherzogin Maria Feodorowna und ihren Gemahl, den späteren Zaren Paul I. Ihm hat Haydn sein op. 33 zugeeignet, weshalb sie auch "Russische Quartette" genannt werden. À propos Weihnachtstag: Für Liebhaber des Streichquartetts macht sich dieses schön gestaltete Album perfekt unterm Weihnachtsbaum aus.
Hör-Tipp
Ö1 bis zwei, Montag bis Samstag, 13:00 Uhr
CD-Tipp
Joseph Haydn, Streichquartette Op. 33, Cuarteto Casals
Link
Cuarteto Casals
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