Hohe Wahlbeteiligung in der Ukraine erwartet

Die Abrechnung mit dem Präsidenten

Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag können die Ukrainer zwischen 18 Kandiaten wählen. Darunter sind der jetzige Amtsinhaber Juschtschenko, die Premierministerin Timoschenko und der frühere Premier Janukowitsch. Mit einer Stichwahl wird gerechnet.

Vor fünf Jahren machte die Orange Revolution den Ukrainern Hoffnung: Sie wollten Freiheit und Demokratie, doch was sie bekommen haben sind vor allem Probleme - politische, soziale, wirtschaftliche. Am Sonntag wird nun ein neuer Präsident gewählt. Die Verbündeten von einst, Präsident Viktor Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko, sind erbitterte Feinde geworden.

Oppositionsführer Viktor Janukowitsch aus dem russischsprachigen Industriegebiet Donbass im Osten des Landes - der vor fünf Jahren gegen Juschtschenko verloren hat - ist dieses Mal in einer aussichtsreicheren‚ Position. Das Rennen dürften er und Timoschenko unter sich ausmachen.

Widerstand gegen westlich orientierten Kurs

Unter nicht weniger als 18 Kandidaten und Kandidatinnen für das höchste Amt im Staate können die Ukrainer am Sonntag auswählen, einen klaren Favoriten gibt es aber nicht und so wird ziemlich fix mit einer Stichwahl am 7. Februar gerechnet. Der Held der Orangen Revolution, der amtierende Präsident Viktor Juschtschenko, tritt zwar wieder an, Chancen in den zweiten Wahlgang zu kommen, hat er aber kaum. In Meinungsumfragen liegt er mit nur fünf Prozent weit hinter Julia Timoschenko, die auf rund 15 Prozent kommt und Viktor Janukowitsch, der mit etwa 30 Prozent deutlich in Führung liegt.

Dass Präsident Juschtschenko bei den ukrainischen Wählern derart unten durch ist, liegt an den allzu hohen Erwartungen, die in der Ukraine, aber auch im westlichen Ausland in ihn gesetzt wurden, die er aber nicht erfüllen konnte. Sein klar westlich orientierter Kurs - er will sein Land möglichst rasch in die NATO und in die Europäische Union führen - stößt nicht nur im Westen auf taube Ohren sondern auch auf den Widerstand des russischsprachigen Teils der Bevölkerung und auch auf den Unwillen der Oligarchen, die ihre wirtschaftlichen Interessen weiterhin durch enge Kooperation mit dem großen Bruder in Moskau wahren wollen.

Diese Oligarchen haben einen großen Einfluss auf die ukrainischen Medien, als Besitzer von Zeitungen und TV-Stationen und als größte Auftraggeber für Inserate und Werbeeinschaltungen. Die ukrainische Medienlandschaft gilt deshalb zwar als pluralistisch und vielfältig, unabhängigen, kritischen Journalismus findet man aber selten.

Gasstreit, Wirtschaftskrise und Dauergezänk

Der sich fast jeden Winter wiederholende Streit um russische Gaslieferungen, die schwere Wirtschaftskrise - das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangen Jahr um 15 Prozent gesunken - und das Dauergezänk mit der ehrgeizigen und charismatischen Premierministerin Julia Timoschenko sind wohl die Hauptgründe dafür, dass die Wähler sich von Präsident Juschtschenko abwenden. Von seinem Nachfolger oder von seiner Nachfolgerin wird ein pragmatischerer Kurs gegenüber Moskau erwartet, auch wenn sich praktisch alle Kandidaten gleichzeitig für eine weitere Annäherung an die Europäische Union ausgesprochen haben. Julia Timoschenko strebt sogar eine Vollmitgliedschaft ihres Landes in der EU schon 2015 an.

In Kiew wird trotz der Politikverdrossenheit vieler Wähler in beiden Wahlgängen mit einer hohen Wahlbeteiligung gerechnet. Nicht zuletzt deshalb weil man am Wahlzettel auch ankreuzen kann, dass man eigentlich keinen der vorgeschlagenen Kandidaten für das Präsidentenamt geeignet hält.

Hör-Tipp
Europa-Journal, Freitag, 15. Jänner 2010, 18:20 Uhr