Die "Aida" der Wiener Ringstraßen-Ära

Karl Goldmark und "Die Königin von Saba"

Karl Goldmarks "Königin von Saba" galt als Wiener Hofopern-"Aida"-Pendant der Ringstraßen- und Makart-Zeit: Musik einer versunkenen Ära, die sich ihr Parfum am ehesten in Aufnahmen von vor 100 Jahren erhalten hat.

Leo Slezak als Assad in Goldmarks "Die Königin von Saba"

Was in der Ringstraßen-Ära und der Makart-Zeit Mode war, ist in steinerner Form rund um uns. Das musikalische Pendant ist Geschichte: Karl Goldmarks "Königin von Saba", die oft als die "Aida" der Wiener Ringstraßen-Ära bezeichnet wird. (Dabei meint man viel weniger Verdi als Meyerbeer zu hören - und, in einer speziellen, nicht epigonalen Art, Richard Wagner.) Auch Goldmarks Oper fordert den exotischen Ausstattungsprunk - hier am Hof der Königin von Saba - , auch sie enthält flirrende Nachtszenen, bloß in den "hängenden Gärten" statt am Nil und mit den ganz anders klingenden Goldmark-Melodien, und vor allem steht auch in der "Königin von Saba" der Tenor, Assad, zwischen der Mezzosopran-Königin und der Sopranistin Sulamith. Wie suggestiv Goldmark die nachlassende Abendhitze im Zedernwald spüren lässt!

Das Parfum, das Luxurierende dieser Musik fällt uns Karl-Goldmark-Entwöhnten stark auf. Aber es sind zugleich starke Opernmomente, in denen der Gefühlsfunke überspringt, in denen die Musik nicht neben dem Wort herläuft, sondern es ausdrückt, ausquetscht, und in denen ohne viel Inhaltsangabe alles klar ist.

Mit "Merlin" auf "Parsifal"-Spuren

In Wien ist Karl Goldmark, Jahrgang 1830, festzumachen: Obwohl sein Geburtsort und das heutige Deutschkreuz, wo er aufgewachsen ist, ungarische Namen trugen, lernte er diese Sprache nie. Goldmark begann mit dem Komponieren als Autodidakt, während er sich als Geiger im Wiener Carltheater sein Geld verdiente. Erst als 30-Jähriger ließ er sich in Budapest nachschulen, erst als 35-Jähriger erlebte er erste Erfolge mit Instrumentalwerken. Mit Johann Herbeck, Otto Dessoff und Peter Cornelius stand Goldmark Anfang der 1870er Jahre in der ersten Reihe der Wiener Wagnerianer, aber seine eigene Erstlingsoper, "Die Königin von Saba", war immer noch in Gärung, und danach dauerte es weiter, bis sich die Hofoper durchringen konnte, sie anzusetzen.

Der Uraufführungserfolg 1875 war außergewöhnlich. Umso mehr ließ Goldmark sich Zeit bis zu seinem nächsten Bühnenstück. "Merlin" brachte 1886 abschnittweise "Parsifal"-Klänge ins Haus am Ring, lange bevor 1914 die "Parsifal"-Sperrfrist fiel: Amfortas-Leidenston steht in "Merlin" neben Leichtfüßig-Verziertem, wie es auch Page Oscar in Verdis "Maskenball" singen könnte. Amalie Materna und Hermann Winkelmann waren die ersten Interpreten von Merlin und Viviane, die Merlin im Liebestod Erlösung bringt - sie die erste Kundry, er der erste Parsifal in Bayreuth.

Gutbürgerlich-Beschauliches im Spätwerk

Späterer Karl Goldmark: Die Wiener Hofoper hat noch bis 1908 alles weitere von ihm gespielt, ob die Stücke "Götz von Berlichingen" hießen, "Die Kriegsgefangene" (Stoff: trojanischer Krieg), oder "Ein Wintermärchen" (nach Shakespeare) - sämtlich frühe "Literaturopern". Wie gutbürgerlich-beschaulich, obwohl auf einer Erzählung von Charles Dickens fußend, kommt auch "Das Heimchen am Herd" von Karl Goldmark daher!

Wiener Hofoper 1896, das titelgebende "Heimchen" ist eine Art Fee, ein Hausgeist, der seine schützende Hand (durch ein paar dörfliche Verwicklungen hindurch) über die nota bene schwangere Dot hält. Keines dieser Werke widersetzte sich dem stilistischen Zeitenwandel so hartnäckig wie "Die Königin von Saba", die noch lange über das Todesjahr Goldmarks, 1915, bis weit in die Zwischenkriegszeit, Wiener Operngeschichte schrieb.

Faszinierend: Frühe Goldmark-Trichteraufnahmen

Wer heute für sich diese versunkene Zeit klingend wieder aufleben lassen will, braucht Hör-Phantasie. Fast immer, wenn Musik von Karl Goldmark nach 1945, ob aus Neugier oder zur (ohnehin unmöglichen) "Wiedergutmachung", wieder gespielt wurde, Goldmark war ja ein Kantorskind, waren Wagner-Stimmen im Einsatz - was dieser Musik auch fast immer einen zu eindeutigen Touch gibt. 2009 kam es im deutschen Bad Kissingen zur konzertanten Wiederaufführung des "Merlin" samt CD-Produktion: löblich, informativ, aber leider nicht mehr mit Gesangskoryphäen, auf die Goldmark bauen konnte und die auch akustisch dokumentiert sind.

Zwischen 1900 und 1910 wurde jedenfalls mehr von Goldmark aufgenommen als zwischen 2000 und 2010: In Wien stand so, assistiert von anderen Stars der Gustav-Mahler-Ära wie Elise Elizza und Else Bland, mehrfach Leo Slezak vor dem Aufnahme-Trichter, Goldmarks Hofopern-Ideal-Assad. Wer einen Text vertont, der mit den Worten "Magische Töne" beginnt, und ebenso: Wer die mit Extremhöhen gespickte Melodie dann singt, muss solche magischen Töne auch im Köcher haben. Carl Goldmark und Leo Slezak hatten sie: So, nur so, wird "Die Königin von Saba" zum musikalischen Weltwunder.

Hör-Tipp
Stimmen hören, Donnerstag,4. Februar 2010, 19:30 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at