Spielend spenden mit Social Games im Internet
Virtuelles Saatgut für Haiti
Die Hersteller von sogenannten "Social Games" beherrschen die Kunst, Menschen für echtes Geld virtuelle Güter zu verkaufen. Dass mit diesem Geld auch Sinnvolles gemacht werden kann, zeigt die Firma Zynga: Sie lukriert über ihre Spiele Geld für Haiti.
8. April 2017, 21:58
Eigentlich war ich immer mehr die urbane Frau. Landwirtschaft hat mich nie besonders interessiert. Und körperliche Arbeit war schon gar nicht meines. Doch seit ein paar Monaten melke ich jetzt mit Begeisterung Kühe, ernte Avocado-Bäume und pflanze Wassermelonen an. Daneben betreibe ich sehr erfolgreich zwei Restaurants, eines davon eher elegant, das andere ziemlich cool, im Stil der Sixties (inkl. Discokugel!). Und das alles ganz virtuell.
Freundschaft vertiefen mit virtuellen Schafen
So genannte "Social Games" breiten sich auf der Plattform Facebook aus, wie ein Virus. Das "Soziale" daran: Man spielt nicht alleine, sondern mit Freunden und Freundinnen. Facebook-Freunde können zu Nachbarn und Nachbarinnen werden, wenn sie sich ebenfalls eine Farm oder ein Restaurant zulegen.
Gute Nachbarschaftspflege ist wichtig. Besucht man seine Nachbarinnen regelmäßig, so bekommt man - je nach Spiel - zusätzliche Punkte oder virtuelles Spielgeld. Außerdem kann man sich gegenseitig alle möglichen Dinge schenken: Schafe, Gartenzwerge oder chinesische Ming-Vasen. Will man seinen Bauernhof oder sein Lokal vergrößern, so braucht man eine gewisse Anzahl an Nachbarn und Nachbarinnen.
Freunde, Geld und gutes Zeitmanagement
Hat man aber nicht genug Freunde und Freundinnen, so kann man dieses Manko natürlich mit Geld ausgleichen. Mit echtem Geld kann man sich dann seinen virtuellen Traum von der größten und üppigsten Farm oder dem luxuriösesten Restaurant erfüllen, kann sich Gartenzwerge oder Ming-Vasen also auch selbst kaufen.
Um bei Social Games erfolgreich zu sein, braucht man neben einem großen sozialen Netzwerk und Geld auch ein gutes Zeitmanagement. Denn werden die Pflanzen nicht rechtzeitig geerntet, verdorren sie am Feld. Werden die Speisen nicht rechtzeitig serviert, verderben sie.
"Irgendwie muss man diese Energie, die da in Menschen mobilisiert wird, doch auch für etwas Sinnvolles nützen können", grübelt mein Herzallerliebster, während er - mehr oder weniger - geduldig wartet, bis ich endlich meine Wassermelonen geerntet und die Peking-Ente serviert habe.
2,4 Millionen Dollar für virtuelle Süßkartoffel
Und dasselbe hat sich wohl auch die Firma Zynga gedacht. Der Spielehersteller mit Sitz in San Francisco, Kalifornien und ist einer der größten Hersteller von sogenannten Social Games. Die sieben erfolgreichsten Spiele des Herstellers haben jeweils mehr als zwei Millionen Spieler täglich, sagt Bill Mooney, Vizepräsident von Zynga. Eines Tages fand sich am virtuellen Saatgutmarkt von Farmville ein besonderes Produkt: "Sweet Seeds for Haiti". Man konnte dort mit echtem Geld virtuelles Saatgut für Süßkartoffel kaufen. Die Hälfte der Einnahmen gingen an NGOs in Haiti.
Die andere Hälfte war zusätzlicher Gewinn für Zynga. Durch den guten Zweck wurden auch solche User und Userinnen motiviert, Geld auszugeben, die das sonst niemals getan hätten, wie zum Beispiel Userin "Vera Wagenfort": "Vorher hab ich kein Geld ausgegeben. Ich spiel die Spiele ja nicht, um Geld auszugeben, sondern um mich vom Alltag abzulenken. Die Haiti-Seeds hab ich gekauft, weil da einfach etwas dahinterstand. Ich hab mir das alles durchgelesen, was die geschrieben haben und ich fand es irgendwie cool, dass man mit einem Spiel helfen kann." Danach sei bei ihr übrigens die Hemmschwelle gefallen, sagt sie, und seither hat sie öfter virtuelle Güter gekauft.
Insgesamt wurden bei der Süßkartoffel-Aktion 2,4 Millionen US-Dollar eingespielt. Das heißt, die Firma Zynga durfte sich durch die Aktion über einen Zusatzgewinn von 1,2 Millionen Euro freuen. Über die zweite Hälfte freuten sich zwei haitianische Hilfsorganisationen: Die NGO Fatem versorgt Schulkinder in armen Regionen mit Essenspaketen und Informationstechnologie. Die Organisation, Fonkoze, vergibt Mikrokredite an Frauen aus ärmlichen Verhältnissen.
Virtueller Mais für das Welternährungsprogramm
Die Präsidentin von Fonkoze hätte gerne mit "Digital.Leben" über ihre Kooperation mit Zynga gesprochen. Donnerstag würde ihr gut passen, schrieb sie vergangenen Dienstag. Doch wenige Stunden später kam das Erdbeben. Auch das Bürogebäude von Fonkoze wurde völlig zerstört. "Von unserer Partnerorganisation Fatem in Haiti wissen wir, dass einige der Schulen sehr schwer beschädigt wurden. Soweit wir gehört haben, sind aber die Menschen dort zum Glück heil geblieben", berichet Bill Mooney, Vizepräsident der Firma Zynga.
Angesichts der Erdbebenkatastrophe hat Zynga jetzt eine neue Hilfsaktion gestartet: am Markt von Farmville kann man virtuellen Mais für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen kaufen. Diese haben einen eigenen Fond für die Erbebenopfer eingerichtet. Ähnliche Aktionen gibt es in den Zynga-Spielen Mafia Wars und Zynga Poker. Und diesmal geht nicht nur die Hälfte, sondern der gesamte Erlös nach Haiti.
Hör-Tipp
Digital Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr
Spendenkonten
Nachbar in Not
P.S.K 90150300, BLZ 60000, Kennwort: Erdbeben Haiti
Malteser Hospitaldienst Austria
P.S.K. 1000999, BLZ 60000, Kennwort: Erbeben Haiti
UNICEF Österreich
PSK 1516500, BLZ 60000, Kennwort: Kinder Haiti
Entwicklungshilfeklub
Erste Bank 310 054 05150, BLZ 20111, Kennwort: Haiti Erdbeben
Jugend eine Welt
Spendenkonto PSK 92.083.767, BLZ 60.000, Kennwort: Erdbeben Haiti
Links
Facebook - Disaster Relief
Zynga
FarmVille
World Food Programme
Fatem
Fonkoze