Unsichtbar und nicht immer nachweisbar
Tödliche Mischungen
Gifte als unsichtbare Mordwaffen haben seit jeher etwas besonders Angsterregendes und gleichzeitig Faszinierendes an sich. Bis vor etwa zweihundert Jahren gab es auch kaum Möglichkeiten, toxische Substanzen im menschlichen Körper nachzuweisen.
8. April 2017, 21:58
Giftmörder greifen meist zu leicht zu beschaffenden Substanzen. Oft sind das solche, deren kriminelle Anwendbarkeit sich erst nach und nach "herumgesprochen" hat. Ein Beispiel dafür waren in den 1950er Jahren zahlreiche Vergiftungen mit dem Pflanzenschutzmittel E605.
Als dieses aus dem Verkehr gezogen wurde, wurden Barbiturate, die damals gängigsten Schlafmittel, zu bevorzugten Mordgiften. Zuletzt sorgte in Österreich ein Mordanschlag in der Wachau mit dem einstigen Ratten- und Mardergift Strychnin für Aufsehen.
Gifte mit langer Tradition
Belegt sind Giftmorde seit Menschengedenken. In der Antike zählten das Coniin des Gefleckten Schierlings und das Aconitin aus dem Blauen Eisenhut zu den "todsicheren" Drogen, die zu Muskellähmungen und schließlich Atemstillstand führen. Daneben waren es die ebenfalls ubiquitären Nachtschattengewächse wie die Schwarze Tollkirsche oder der Gemeine Stechapfel, die sowohl in verbrecherischer Absicht als auch als freiwillige Schmerz- und Rauschdroge gebraucht wurden.
Arsen als "Königin der Gifte"
Sehr früh waren auch schon mineralische Gifte bekannt. Neben Blei und Quecksilber war es vor allem Arsenik (Arsen-Trioxid), das bis ins 19. Jahrhundert das Mordgift schlechthin war, zumal die Substanz bei der Metallgewinnung reichlich anfiel, vorzüglich auch zur Rattenvertilgung und als Konservierungsmittel taugte und außerdem geruchs- und geschmacklos war.
Nicht von ungefähr nannte der zynische Volksmund das Arsenik wegen seines häufigen Einsatzes in der nächsten Verwandtschaft auch das "Erbschaftspulver".
Mit weißem Pulver an die Macht
Aber auch in allerhöchsten Kreisen schätzte man Arsenik als familiäres wie auch machtpolitisches Regulativ: In der italienischen Renaissance, als der Giftmord insgesamt als Mittel der Machtpolitik perfektioniert wurde, räumte die berühmt-berüchtigte Familie Borgia ihre Konkurrenten reihenweise mit einem Toxin aus dem Weg, dessen Hauptbestandteil Arsenik gewesen sein dürfte.
Von den Anfängen der Toxikologie zur modernen Analytik
Für die historische Toxikologie und die Kriminalgeschichte ist Arsen aber vor allem deshalb besonders interessant, weil, angesichts seiner Verbreitung auch im gemeinen Volk, schon sehr früh versucht wurde, dafür Nachweisverfahren zu entwickeln.
Wirklich befriedigend gelang das erst mit den Methoden der Analytischen Chemie Ende des 18. Jahrhunderts. Damals konnten erstmals auch andere Metallgifte mittels einfacher chemischer Fällungsreaktionen nachgewiesen werden.
Im 19. Jahrhundert gelang es Chemikern dann, Pflanzensäuren zu isolieren, später etliche Alkaloide. Dadurch erweiterten sich zwar auch wieder die Möglichkeiten für potenzielle Giftmörder, aber zugleich wurde ja auch an den Nachweisverfahren weitergearbeitet.
Durchbruch erst im vorigen Jahrhundert
Meilensteine waren die Arsen-Probe des britischen Chemikers James Marsh, 1836, sowie der erstmalige Nachweis des Alkaloids Nikotin in Leichengewebe durch den Belgier Jean Servais Stas, 1851. Der große Durchbruch gelang der Toxikologie aber erst im vorigen Jahrhundert, mit immer genaueren qualitativen wie quantitativen Analysen.
Zu den Trennverfahren von Substanzen aus organischem Material, der Papier- und der Dünnschichtchromatographie, kamen Massenspektrometer sowie immunbiologische Methoden auf Basis von Gen-Antigen-Reaktionen, die sehr oft zum Nachweis von Suchtgiften, insbesondere von Morphin-Derivaten, verwendet werden. All das hat nichts an der Faszination von Giftmord für das breite Publikum geändert - aber die Aufklärungsrate enorm erhöht.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 4. Februar 2010, 9:06 Uhr
Buch-Tipp
Helga Schimmer, "Giftmord - Gerichtschemiker in ihrem Element", Verlag Kremayr & Scheriau KG