Von den "Sound Slides" zum Musikvideo
Was Musikvideos transportieren
Ob auf MTV oder VIVA, ins Internet gestellt oder mit dem Handy verschickt: Musikvideos illustrieren, interpretieren und gestalten eine Bildsprache zum Ton. Ursprünglich als Werbeträger gedacht, hat sich das Medium längst verselbständigt.
8. April 2017, 21:58
Längst sind Musikvideos Teil unserer Alltagskultur geworden. Ob auf MTV oder VIVA, ins Internet gestellt oder mit dem Handy verschickt: Musikvideos illustrieren, interpretieren und gestalten eine Bildsprache zum Ton. Aufwendige Filmproduktionen konkurrieren heute mit selbst gedrehten Home-Videos und beeinflussen deren Ästhetik. Denn ursprünglich als Werbeträger gedacht, hat sich das Medium längst verselbständigt.
Musikvideos sollen aufmerksam machen. Sie bewerben die Musikstücke, für die sie gedreht werden. Sie lenken die Aufmerksamkeit vom Ohr zum Auge hin. Doch Musikvideos sind mehr als nur Werbefilme. Denn die Fans einer Band oder eines Popkünstlers sind nicht nur an der Person der Künstlerin oder des Künstlers interessiert. Mit der Musik wird ein Lebensgefühl verkauft. Und das Musikvideo ist ein exzellentes Medium, dieses Lebensgefühl in Ton und Bild zu transportieren.
Mit dem Kabelfernsehen auf MTV und VIVA
1983 brachte Michael Jackson seinen Song "Billie Jean" heraus. Mit dem Film zum Song schuf Michael Jackson nicht nur einen der erfolgreichsten Hits in der Pop Geschichte, er setzte einen Meilenstein in der Entwicklung von Musikvideos. Denn der King of Pop benutzte in der Umsetzung seiner Musik alle Elemente, die Pop-Kultur zu bieten hat.
Erster schwarzer Künstler auf MTV
Vom Comic bis zum perfekt ausgeleuchteten Stage Design, von märchenhaften Traumsequenzen bis zu hart geschnittenen Rhythmen: In Michael Jacksons Video wird alles montiert und collagiert, was spektakulär ist. Und der Gatekeeper, das Tor zur breiten Öffentlichkeit, war der Musiksender MTV. Mit "Billie Jean" war Michael Jackson der erste schwarze Künstler, der von dem legendären Musik-Fernsehkanal gesendet wurde.
Anfang der 1980er Jahre war das Zielpublikum des Senders das weiße, junge Publikum in den USA. Neben der Musik vermittelten die Videos Lifestyle und Mode. Gespielt wurden die Musiknummern, die bereits an der Spitze der Charts standen. Mit dem Bild zum Ton sollte ein noch breiteres Publikum angesprochen werden.
Mit "Billie Jean" kamen nun auch Elemente des Hip Hop in den TV-Musikpalast der Weißen. Michael Jackson machte damit die Kultur der schwarzen männlichen Jugendlichen aus den Vorstadtghettos im Kulturbetrieb salonfähig. Und zwar mit Hilfe des Tanzes. Denn sein legendäres "Moonwalking" ist ein Tanzschritt, den er von der Hip-Hop-Szene gelernt hat.
Musikvideos informieren, illustrieren, kommunizieren
Der Markt für Musikvideos hat sich in den vergangenen zehn Jahren radikal verändert. Allein Deutschland ist die Zahl der Produktionsfirmen von 50 auf drei geschrumpft. Das Internet hat die klassischen Musikfernsehkanäle abgelöst. Vor allem die jungen User haben heute Musikvideos als Ausdruck ihres Lebensgefühls entdeckt.
Sie mischen und mixen Akustisches und Optisches zu ihrer Sound- und Bildsprache. Mit wenigen Handgriffen lässt sich der Personal Computer in ein privates Ton- und Filmstudio umfunktionieren. Das Ergebnis wird ins Netz gestellt und ist für alle zugänglich.
Jeder wird zum Star
Doch weder Professionalität noch Können sichern einen Platz in den Top Ten auf der Internetplattform YouTube. Das zeigt der Clip NumaNuma. Im Dezember 2004 ins Netz gestellt, wurde er allein in den ersten drei Monaten seiner Netzpräsenz zwei Millionen Mal angeklickt. 2006 wurde dieser Clip in Großbritannien von Chanel 4 in die Liste 100 Greatest Funny Moments, der 100 komischsten Momente, aufgenommen.
Das Rezept des Videos ist Selbstironie. Zum Popsong der Moldavischen Gruppe O-Zone filmt sich ein dicklicher junger Mann, während er den Song voll Hingabe interpretiert. Die Sub – Botschaft von NumaNuma : jeder ist ein Star! Er muss nur mutig genug sein und sich ins Netz stellen.
Mit den traditionellen Videoclips konnten Musiksender wie MTV oder VIVA die Publikumsnähe nicht mehr herstellen. Darum änderten sie ihr Programm. Ab der Jahrtausendwende ersetzen Realityshows die traditionellen Musiksendungen. Doch totgesagt ist das Musikvideo aktueller denn je. Denn auf Plattformen wie MySpace oder YouTube wird es zum Kommunikationsangebot. Im Kontext von Musikmarkt und Tonträgerindustrie bietet das Video Informationen und ist nach wie vor ein Werbeträger.
Musikvideos als Stadtportrait
Wien, junge Menschen und die Musik zusammen zu bringen, das ist die Absicht der Internetplattform "They Shoot Music - Dont' They". Sie ist ein Reiseführer zu den öffentlichen und halbprivaten Plätzen der Stadt. Musikgruppen vom Ort oder Musiker, die sich auf der Durchreise befinden, spielen ihren derzeit aktuellen Song im Stadtpark, auf der Dachterrasse des Ringturms oder im Treppenhaus eines Biedermeierhauses.
Die Auswahl der Location hängt davon ab, ob und wie viel Zeit die Künstler für den Dreh zur Verfügung stellen. Der dokumentarische Charakter dieser Musikvideos erzählt viel über den Künstler oder die Künstlerin und bringt sie ihrem Publikum nahe.
Das Konzept kommt gut an. Mehr als einhundert Bands sind auf der Internetplattform portraitiert. 70.000 Besucher pro Monat besuchen den Blog. Tendenz steigend. Von den Betreibern wird das Potential aber nicht kommerziell genutzt, ihr Engagement ist reine Liebhaberei. Ausgezeichnet mit dem E-Business und Multimedia-Staatspreis in der Kategorie "Talent trifft Markt" und unterstützt durch eine kleine Subvention der Stadt werden die vier jungen Leute ihre Arbeit jedoch fortsetzen.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 22. bis Donnerstag, 25. Februar 2010, 9:45 Uhr
Links
They Shoot Music - Dont' They
MTV
VIVA
MySpace
YouTube