Ein Fabrikareal wird Galerienviertel

Das Kunstviertel Dashanzi

Dank der Initiative von Künstlern und Kuratoren ist ein altes Fabrikareal im Nordosten von Peking in einen Kunstbezirk umgewandelt worden. In aller Ruhe können sich Kunstbegeisterte in den hier angesiedelten Galerien der Betrachtung der Werke hingeben.

Huang Rui

Er ist einer der Mitbegründer des Projekts Dashanzi

Peking, die Hauptstadt Chinas, verbinden viele in erster Linie mit der reichen alten Geschichte. Die Verbotene Stadt, der Sommerpalast und andere Orte aus der Kaiserzeit stehen ganz oben auf der Liste der Sehenswürdigkeiten, die die Besucher anziehen. Doch seit dem Ende der Mao-Ära und der Einleitung der Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre hat sich – zunächst im Untergrund und dann immer offener und sichtbarer - eine lebendige zeitgenössische Kunstszene etabliert.

Peking war von Anfang an Zentrum dieser neuen künstlerischen Aktivitäten. Junge Künstler organisierten sich in freien Gruppen, um außerhalb des offiziellen Kunstbetriebs zu arbeiten. Verhältnis und Probleme von Individuum und Gesellschaft wurden zu wichtigen Themen in einer Zeit, in der die Hoffnung auf eine neue Freiheit zutage trat.

Das Ende des Aufbruchs

Die Grenzen des erhofften Wandels wurden allerdings bald sichtbar. Der Bürgerrechtsaktivist Wei Jingsheng wurde 1979 wegen seiner mutigen Forderungen nach Demokratie festgenommen und sollte insgesamt 17 Jahre in Gefängnissen und Arbeitslagern verbringen.

Die Öffnung des Regimes beschränkte sich auf ökonomische Liberalisierung, Forderungen nach politischer Freiheit wurden nicht geduldet. Die neue Aufbruchsstimmung der 1980er Jahre wurde dann am 4. Juni 1989 mit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am Tiananmen-Platz in Peking zunichte gemacht.

Erste Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst

Vor diesem Hintergrund entschlossen sich immer wieder Künstler zur Emigration. Doch die Mehrheit blieb in China und verfolgte hartnäckig ihre künstlerischen Ambitionen. In den frühen 1990er Jahren fanden dann die ersten großen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa statt und chinesische Künstler wurden zur Biennale nach Venedig eingeladen. Das offizielle China nimmt bis heute eine äußerst ambivalente Haltung gegenüber der zeitgenössischen Kunst ein.

Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass es Künstlern, Kuratoren und ihren Unterstützern vor wenigen Jahren gelang, ein altes Fabrik-Areal im Nordosten von Peking vor der Zerstörung zu bewahren und in einen Kunstbezirk umzuwandeln. Huang Rui, einer der Initiatoren des Projekts, bemühte sich dann um den Erhalt der alten Infrastruktur - mitsamt den in roten Lettern an die Wände gemalten Slogans aus der Kulturrevolution.

Galerien, Boutiquen, Shops

"798" nennt sich das Areal nach dem Namen einer der alten Fabriken. Da 798 im Bezirk Dashanzi liegt, sprechen die Menschen abwechselnd von 798, Dashanzi oder 798 Dashanzi: Gemeint ist aber immer der Kunstbezirk.

Der Erfolg von 798 und die damit einhergehende Kommerzialisierung haben aber auch Kritiker auf den Plan gerufen, denn in 798 Dashanzi haben sich neben Künstlerateliers, chinesischen und internationalen Galerien und Non-Profit-Kunsträumen inzwischen Cafés, Restaurants, Boutiquen und alle möglichen Shops etabliert. Hinter den Kulissen laufen heftige Debatten über das Selbstverständnis von 798 Dashanzi und die Aufgabe der zeitgenössischen Kunst.

Manche Galerien sind inzwischen noch weiter nach Nordosten in das Dorf Caochangdi gezogen, um sich dort ungestört der Kunst zu widmen. Einige der für Galerien bestimmten Gebäude in Caochangdi wurden von Chinas wohl bekanntestem Künstler und Architekten Ai Weiwei entworfen, der wegen seines politischen Engagements immer wieder von den Behörden angegriffen worden ist, auch physisch.

Doch viele Künstler und Galerien bleiben weiterhin in 798 Dashanzi. Sie sind davon überzeugt, dass sich seriöse und engagierte Kunst auch in einem lebendigen und kommerziellen Umfeld machen und ausstellen lässt.

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