Nationale Rhythmen
200. Geburtstag von Frédéric Chopin
Die Musikwelt feiert am 1. März den 200. Geburtstag von Frédéric Chopin. Er war kein Tanzmusikkomponist, aber einer, der tänzerische Grazie schätzte und sich von den Tanzrhythmen seiner polnischen Heimat stark beeinflussen ließ.
8. April 2017, 21:58
Seine erste Komposition war eine Polonaise, seine letzte eine Mazurka, aber der Sohn eines Franzosen und einer Polin (deren Reiz ja, spätestens seit Millöcker "unereicht" ist) schätzte auch Walzer, nicht erst seitdem er am Beginn der internationalen Karriere erstmals die Donaumetropole besuchte. Den Wiener Verlegern warf er Risikoscheu vor, weil er meinte, dass sie immer nur Strauß drucken würden. Nun, der war kein Vorbild für Chopins Walzer, viel eher Weber und in den Mittelteilen kann man vielleicht sogar eine Verwandtschaft zu Schubert entdecken.
Aber im Gegensatz zu Wiener Walzern sind viele von Chopin mehr Salon- als Tanzmusik, manche auch Virtuosenstücke, wie sich in hervorragender Klangqualität auf der gerade erschienenen Chopin-Walzer-CD der jungen Pianistin Alice Sara Ott bestens nachprüfen lässt. Ebenfalls ausschließlich einer einzigen Sparte des Chopin'schen Oeuvres hat sich die Russin.
Anna Gourari hat sich kürzlich den Mazurken gewidmet. Aber die empfehlenswerteste Chopin Neuerscheinung ist keine aktuelle Produktion, sondern ein interpretatorisches Juwel des WDR-Archivs: bisher unveröffentlichte Chopin-Aufnahmen von Marta Argerich aus dem Jahr 1967. Auch hier finden sich - neben der h-Moll-Sonate und der g-Moll-Ballade - immerhin acht Mazurken, Miniaturen von erlesener Kostbarkeit, die unter den behutsamen Händen der jungen Argentinierin den ganzen Reiz dieser kompositorischen Feinarbeit erkennen lassen.
Ballettmusik
Apropos Tanz. Immerhin findet sich der Name Chopin auch im Repertoire von Ballettkompanien. Zu danken war vor allem dem Inspirator großer Komponisten, Sergei Diaghilew, dem Auftraggeber Strawinskys, Ravel, de Fallas und so weiter. Die Idee stammte allerdings von seinem Choreografen Mikael Fokine, nämlich Chopin-Klavierstücke orchestrieren zu lassen und zu einer - nicht abendfüllenden - Ballettmusik - ohne Handlung, also zu einem typischen "Ballet blanc" - zusammenzufassen. Manches, nicht alles wurde zunächst von Alexander Glazunow instrumentiert, der auch aus Teilen von Schumanns "Carneval"-Ballettmusik für Daghilew gemacht hat. Getanzt haben - zuerst in Petersburg und dann in Paris - allen voran Anna Pawlowa und Waslav Nijinsky.
"Die Pawlowa flog in der Mazurka über die Bühne", erzählte Fokine über die Aufführung, "obwohl sie nicht besonders hoch sprang, befähigten sie ihre ganze Haltung, ihr gertenschlanker Körper - kurz ihr Talent - dazu, den Eindruck des Fliegens hervorzurufen. Sie hatte den Unterschied zwischen Springen und Schweben überwunden, was man nicht lernen kann. Nijinskiy Rolle verlangte keinen Tänzer mit großem Sprungvermögen, sondern die Darstellung eines Träumers, einen Jüngling, den schönen Dingen des Lebens zugewandt, einen Poeten - ganz im Gegensatz zu den damals üblichen Männerrollen, die stets mit Preparation und Pirouette enden mussten."
Chopiniana
Ursprünglich - bei Diaghilew - begann dieses Ballett noch unter dem Titel "Chopiniana" mit der Militärpolonaise Op. 40, Nr.1, aber im Laufe der Jahrzehnte wurden Stücke, Reihenfolge und Orchesterfassung mehrfach verändert. Im Jahr 1936 arrangierte der Brite Roy Douglas eine Version für Les Sylphide von der es eine berühmte Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan gibt, in der die folgenden Stücke enthalten sind:
Prelude A-Dur Op. 28 Nr. 7, Nocturne As-Dur Op. 32, Nr. 2, Walzer ges-Dur, Op. 70 Nr.1, zwei Mazurken D-Dur, Op. 33 Nr.2 und C-Dur Op. 67 Nr.3, nochmals das A-Dur Prelude vom Beginn, dann der cis-Moll-Walzer Op. 64, Nr. 2 - hier durch ein kurzes Cellosolo eingeleitet - und als Finale der "Grand Valse Brillante" in Es-Dur opus 18.
Nicht alles, was in diesem Ballett getanzt wird, war als Tanzmusik gedacht, doch in Summe hat Chopin ein umfangreiches Oeuvre an tänzerischer Musik hinterlassen. Man zählt mehr als zwei Dutzend Walzer und Polonaisen, über 50 Mazurken sowie tänzerischer Themen in anderen Werken, wie die Mazurka- und Walzer- und Krakowiak-Anklänge in den Finalsätzen seiner Konzerte.
Chopin in Ö1
Frédéric Chopin wird das ganze Jahr über in den Musiksendungen von Ö1 gewürdigt. Anlässlich des Geburtstags am 1. März stehen mehrere Ö1-Sendungen ganz im Zeichen des polnischen Komponisten. Im "Radiokolleg" (bis 4. März, jeweils um 9:45 Uhr) erzählen unter dem Titel "Tastenzauber" die vier französischen Pianisten/Pianistinnen Brigitte Engerer, Alain Planès, Jean-Yves Thibaudet und Alexandre Tharaud über ihren Zugang zu Chopin und seiner Musik und geben auch Einblick ihr Leben.
Im "Konzert am Vormittag" (10:05 Uhr) steht ein Mitschnitt aus der Berliner Philharmonie auf dem Programm: Die Berliner Philharmoniker und Pianist Daniel Barenboim spielen unter der Leitung von Dirigent Asher Fish Werke von Frédéric Chopin und Karol Szymanowski. In "Ö1 bis zwei" (bis 5. März, jeweils ab 13:00 Uhr) werden neue Chopin-CDs vorgestellt, und in der "Musikgalerie" (15:05 Uhr) lautet die Frage "Chopin zum Tanzen?" Denn: Er war kein Walzerproduzent, hat aber viele Musikstücke im Dreivierteltakt geschrieben und auch bei seinen zahlreichen Mazurken und Polonaisen nationale polnische Tanzrhythmen verwendet.
Service
CD, Frédéric Chopin, Complete Waltzes, Alice Sara Ott, DG
CD, Frédéric Chopin, "The Mazurka Diary", Anna Gourari, Berlin Classics
CD, Frédéric Chopin, "Argerich plays Chopin", Marta Argerich, DG
Alice Sara Ott
Anna Gourari
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