Eine Brücke zwischen den Kulturen

Mehr Deutsch an Tschechiens Schulen

Während des Kommunismus war Deutsch oft die einzige westliche Fremdsprache, die man lernen durfte. Nach der Samtenen Revolution wurde in Tschechien Englisch gefragter. Die engen wirtschaftlichen Beziehungen mit den Nachbarn macht Deutsch jetzt wieder attraktiv.

Isabella Benischek, Libusa Führbach, Nikolaus Seiwald und Ursula Stoff

Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Rainer Maria Rilke - was haben diese drei Autoren gemeinsam? Sie stammten aus Prag, sprachen und schrieben aber Deutsch. Das Prager Deutsch war denn auch ein Begriff im deutschsprachigen Raum. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts, der Einmarsch Hitlers, die Vertreibung der Sudetendeutschen, all das hat das Verhältnis der Tschechen zu den Deutschsprechenden und der deutschen Sprache aber sehr komplex und kompliziert werden lassen.

Andererseits war Deutsch während des Kommunismus zumeist die einzige westliche Fremdsprache, die man lernen durfte und die man auch wenigsten im Alltag, bei den seltenen Reisen in der DDR anwenden konnte. Das Deutsche war ein kleines geöffnetes Fenster in den Westen, deutsche und österreichische Radio-und Fernsehsender konnten konsumiert werden.

Nach der Samtenen Revolution aber wollten alle nur Englisch lernen. Inzwischen, wohl auch wegen der engen wirtschaftlichen Beziehungen Tschechiens zu Deutschland und Österreich, wird das Deutschlernen für junge Tschechen wieder attraktiv.

Zwei Systeme vereint

Ein Lokalaugenschein am Österreichischen Gymnasium in Prag: "Die Schule wurde aufgrund eines Kulturabkommens zwischen Österreich und Tschechien 1991 gegründet und vereint österreichisches und tschechisches Schulsystem", sagt die Direktorin Isabella Benischek. Die Unterrichtsfächer sind alle auf Deutsch, außer eben Tschechisch, Tschechische Literatur, Geschichte und Staatsbürgerkunde.

Mit 13 Jahren kommen die Schülerinnen und Schüler in diese Schule, wenn sie maturieren, erhalten sie ein österreichisches und ein tschechisches Maturazeugnis. Von den derzeit knapp 170 Schülern und Schülerinnen stammen viele aus bilingualen Familien, so ist zum Beispiele die Mutter Tschechin, der Vater Österreicher oder Deutscher, oder die Eltern haben in Deutschland beziehungsweise Österreich gearbeitet und die Kinder dort jeweils schon Schulen besucht und Deutsch gelernt. "Wir sehen uns als Brücke zwischen den Kulturen", meint die Direktorin, "wir bringen Österreich und Tschechien einander näher."

Berufsumfeld und Alltagsbeziehungen

Neben dem Österreichischen Gymnasium in Prag gibt es auch noch die Deutsche Schule in Prag, aber auch viele öffentliche tschechische Schulen, an denen Deutsch als Schwerpunkt angeboten wird, zum Beispiel die Grundschule in der Mikulandska, im Zentrum von Prag. Die Schule hier war die erste Grundschule mit Sprachenschwerpunkt, noch in den 1960er Jahren eingerichtet. Damals war es vor allem Russisch, das gelehrt wurde, jetzt ist es Englisch, Deutsch, Französisch.

Die Gründe, warum Eltern ihre Kinder hier in den deutschsprachigen Zweig schicken würden, habe oft mit dem beruflichen Umfeld der Eltern zu tun, sagt die Deutschlehrerin Libusa Führbach, aber auch Alltagsbeziehungen zum deutschsprachigen Ausland, wie Schifahren in Österreich würde bei der Entscheidung mitspielen. Anfang der 1990er Jahre, gleich nach der Wende, habe es einen richtigen Englischboom gegeben, aber jetzt besinne man sich wieder mehr auch auf das Deutsche.

Wachsendes Interesse

Tschechien sei engsten wirtschaftlich verbunden mit Deutschland und Österreich, die Firmensprache sei sehr oft Englisch, aber immer häufiger werde von den Firmen zumindest einfache Deutschkenntnisse verlangt, sagt Nikolaus Seiwald, der Österreichische Handelsdelegierte in Prag.

Daneben wachse aber auch das kulturelle Interesse am Deutschen, an der deutschsprachigen Vergangenheit Prags, erklärt Ursula Stoff vom Österreichischen Gymnasium: "Es gibt nun ein deutsches Theaterfestival in Prag und auch ein Filmfestival, das Interesse ist echt."

Was man sich vielleicht von tschechischer Seite wünschen würde, das wäre vermehrter Schüleraustausch vor allem mit Österreich. Damit vielleicht auch im Nachbarland zumindest ein bisschen das Interesse am Tschechischen wächst.

Service

Österreichisches Gymnasium Prag
Deutsche Schule Prag
Brana jazyku (Schule "Tor zu den Sprachen")

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