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Das Essen der Zukunft

Technik gegen den Hunger?

Kann die Technik helfen, den Kampf gegen den Hunger zu gewinnen? Der Optimismus ist heute geringer als vor einigen Jahrzehnten. Einig sind sich Experten, Wissenschafter und Spitzenköche in einem: Es ist wichtig zu wissen, was man tatsächlich isst.

Der Automatisierung zum Trotz ist die Nahrungsmittelknappheit nach wie vor akut. Werden neue Methoden aus der Lebensmitteltechnik dabei helfen, subjektive Geschmackseindrücke in verwertbare Daten umzuwandeln?

In den 60ern war die Automatisierung der allgegenwärtige Heilsbringer, so auch im Bereich der Nahrungsmittel und Kulinarik: Durch Automatisierung würde der Welthunger beseitigt der Vergangenheit angehören, und der Ernährungs-Alltag wäre von vollkommen neuen Geschmacksrichtungen bestimmt. Die "Astronauten-Nahrung" könnte in Form einer Tablette alle notwendigen Nährstoffe liefern können, ohne Geschmackabstriche. Bislang ist davon nicht allzu viel zu sehen: Die Nahrungsmittelknappheit ist nach wie vor akut und auch das "Essen der Zukunft" besteht im Wesentlichen immer noch aus denselben Ingredienzien.

Die Chemie des Geschmacks

Technisch gesehen scheitert es weiter an der Sensortechnik, um subjektive Geschmackseindrücke in verwertbare Daten wandeln zu können. Diesbezügliche Forschungsarbeiten bilden einen Schwerpunkt innerhalb der EU. Brain Hill vom "Institut of Food Research" in Norwich, England z. B. arbeitet daran, medizinische Methoden wie die Computertomografie so zu vereinfachen, dass sie für die Qualitätskontrolle am Fließband eingesetzt werden kann: Um z. B. festzustellen, wo sich in einem Apfel Wassermoleküle befinden um zu eruieren, ob ein Apfel mehlig oder saftig schmecken wird. Doch verschiedene Konservierungstechniken können die neuen Erkenntnisse zunichte machen. So verändert etwa Schock-Gefrierung die Struktur der Lebensmittel und damit auch den Geschmack.

Nahrungsmittel müssen also schon im Voraus auf die ihnen bevorstehende Behandlung vorbereitet werden, um letztendlich auf dem Markt bestehen zu können. Ganz abseits von Trends wie "zuckerfrei", "salzarm", "frei von schädlichem Cholesterin". Chemisch gesehen ist es kein Problem, solche Nahrungsmittel herzustellen, nur dürfen sie sich geschmacklich und in ihrer Textur nicht von ihren ungesunden Vorgängern unterscheiden. Damit ist das Ende der Automatisierung auch erreicht, und es bleibt die Empirie.

Kochempiriker Ferran Adria

Ferran Adria zählt derzeit zur Avantgarde der Küchenchefs. Seine Methode: Er verändert die Textur, die Form, kurz: die Materialität der Speisen. Damit wurde er zur Galionsfigur unter den "technischen Köchen". Zwar kreiert die Industrie Produkte, zu denen Menschen nicht wegen des Geschmacks greifen, sondern wegen der technischen Angaben über den Nährwert, etwa Müsli-Riegel. Adria hingegen kann auch Luft servieren - z. B. "Aire de Mar". Auf seiner Speisekarte findet man auch Kreationen wie Spargel in Lutscherform, Reis in Pulverform und Fisch-Schaum. Produziert mit jenen Hilfsmitteln, die sich in beinahe jedem Haushalt finden lassen.

Geschmack als kulturelles Gedächtnis

Für Adria ist Geschmack Fühlen, Hören, Sehen - und vor allem Erinnerung. Süß, sauer, salzig oder bitter spielt seiner Meinung nach nur eine untergeordnete Rolle - in der Lebensmitteltechnik jedoch eine zentrale Rolle. Gemessen wird dort in Blindtests und mit Hilfe der "Riechnase", eines artifiziellen Geruchs-Sensors. Das Resultat sind einzig und allein statistische Werte; Erkenntnisse über den Geschmack lassen sich nicht gewinnen. Die Wissenschaft scheitert daran, dass man Geschmack nicht definieren, nicht in Algorithmen ausdrücken kann.

Die Meldung, dass britische Forscher von der Universität Leeds, England die "Formel" für perfekt getoastetes Brot gefunden haben, glauben Spitzenköche wie Ferran Adria oder der österreichische Haubenkoch Manfred Buchinger nicht. Und selbst in der Lebensmittelindustrie weiß man, dass man holländische Margarine nicht in Griechenland verkaufen kann, denn: Geschmack ist auch nationales bzw. kulturelles Gedächtnis.

Links
Institut of Food Research
elBulli - Restaurant von Ferran Adria
University of Leed

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