Auszeichnung
Jonty Harrison
29. September 2010, 00:35
... et ainsi de suite ...
Ich wollte einmal eine Zeit lang eine "Französische Suite" in der Tradition der "musique concrète" komponieren. Die Klänge von Weingläsern mit einer rauen Oberfläche, die im Studio Numerique am GRM mit ETIR, BRAGE und BRAGGE sowie mit einem Raum-Klang-Programm transformiert worden waren, bedeuteten dabei einen viel versprechenden Anfang. Die individuellen Klänge wurden in den elektroakustischen Studios der University of Birmingham mit unterschiedlichsten digitalen Signal-Prozessoren formiert, mit einer Reihe anderer Klangquellen kombiniert weiter transformiert, rekombiniert und so weiter und so weiter ...
Ich griff nun von Zeit zu Zeit auf diesen Pool von Klang-Materialien zu, um kurze, aber essentielle, selbst tragende Sätze zu komponieren. Die Zusammen-Führung von neuen, spezifisch musikalischen Äußerungsformen aus demselben Quell-Material führte zu der Idee, dass man analog dazu vollständige Sätze (die unweigerlich eine Überfülle von kreuzweisen Bezügen aufweisen würden) in verschiedener Weise zusammenfügen und damit unterschiedliche Stücke schaffen könnte. Unterschiedlich in Länge und Tempo, für unterschiedliche Gelegenheiten und Räume und so weiter und so weiter.
Klang-Typen
Über ein Dutzend Sätze habe ich bis heute komponiert. Ihre unterschiedlichen Funktionen sind durch ihre - um die Verbindung mit der musique concrète aufrecht zu erhalten französischen Satzbezeichnungen charakterisiert. "A propos" und "resumé" - in dieser Reihenfolge - sind expositorische und rekapitulierende Feststellungen der grundlegenden Klang-Typen, die im Werk gefunden werden können. Die längsten und ausgefeiltesten Sätze heißen "commentaire". Die erste Version der Arbeit (Version Bourges 1990) enthielt lediglich diese Kategorien von Sätzen und Satzbezeichnungen.
Als ich 1991 auf das Sound Tools System zugreifen konnte, erreichte ich die nahtlose Kontinuität des Materials, die ich für eine neue Generation gefälligerer, nachdenklicherer und statischer Sätze brauchte, die sich davon abhoben. Diese eingestreuten Sätze gruppieren sich unter den Übertitel "paranthèse", obwohl einige von ihnen zusätzliche beschreibende Titel-Bezeichnungen wie "reflexion", "résonance" oder "souffle d'insectes" tragen. Die Birmingham-Version 1992 hat elf Sätze, deren Dauer zwischen 40 Sekunden und fast vier Minuten schwankt.
Verspieltheit statt Diskurs
Das Charakteristische an dieser Version ist das Überlappen der einzelnen Sätze. Zum Beispiel bilden die Sätze sechs bis neun ein durchgängiges Stück, ebenso wie die beiden letzten Sätze, und unterstützen damit das eher dramatische Potential des Materials. Grundsätzlich aber ist die Arbeit nicht Transportmittel für ein dramatisches oder dynamisches musikalisches Argument; mich interessiert es vielmehr, ein Netzwerk von Verbindungen innerhalb einer Klangwelt aufzubauen, das mehr der Verspieltheit als dem Diskurs förderlich ist.
Text: Jonty Harrison