Enttäuschung und Geborgenheit

Erinnerungen

Bevor wir uns kannten, hatte ich um eine starke Kindheitserinnerung mehr und um eine weniger.

Bei der einen handelt es sich um eine Erinnerung, die mich lange Zeit vollkommen traurig werden ließ. Sie handelt vom ersten Packerl Manner Zitronenschnitten, das ich geschenkt bekommen habe. Ich weiß nicht mehr, wer sie mir schenkte. Aber das Gefühl, etwas ganz besonderes, einen geheimnisvollen Genuss bekommen zu haben, war unbeschreiblich groß. Und es wuchs fast ins Unendliche, als meine Mutter, der mein Empfinden nicht bewusst war, die Schnitten einem Kind von Bekannten weiterschenkte. Ich glaube, ich habe damals nicht geweint. Tränen wären dem Verlust auch nicht gerecht geworden. Das Gefühl der Enttäuschung und Traurigkeit konnte ich bis knapp zu meinem 30. Lebensjahr jederzeit ganz stark verspüren, wenn ich mich daran erinnerte. Es hat zwei große Liebeskummer und eine gescheiterte Ehe überstanden. Erst als wir uns kennen lernten, begann sich dieses Verlustgefühl zu verflüchtigen - die Erinnerung tat nicht mehr weh.

Im Gegenzug dazu hast Du eine Erinnerung aufgespürt, die mir bis dahin verborgen war. Die Erinnerung an ein Gefühl von absoluter Geborgenheit. Es lag an der Art, wie Du vor dem Einschlafen die Bettdecke über mich gebreitet, die Füße drin eingeschlagen und die Decke beim Rücken festgesteckt hast. Plötzlich hatte ich die Sprossen der Bank vor meinen Augen, auf der ich als Kind mein Mittagsschläfchen gehalten hatte und da war dieses unbeschreibliche Gefühl.

Text: Therese Preisack

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