Konventionell oder amüsant?

Erste Kritiken

Das Premierenpublikum beim "Rosenkavalier" der Salzburger Festspiele gewährte erstaunlich kurzen Applaus. Zustimmung fanden Ensemble, Orchester und Dirigent. Laute Kritik musste erwartungsgemäß Regisseur Robert Carsen einstecken.

Im Anschluss an die Premiere hat ORF-Kulturredakteur Franz Zoglauer die Kritiker Heinz Sichrovsky von "News", Manuel Brug von der Tageszeitung "Die Welt" und Wilhelm Sinkovicz für "Die Presse" um eine spontane Nachbetrachtung gebeten.

Franz Zoglauer hat die Inszenierung als den aufwendigsten, wenngleich nicht den geschmackvollsten "Rosenkavalier" bezeichnet, den er je erlebt habe. Er ortete eine riesige Rosenkavaliershow und eine Verbeugung vor der Event-Kultur, um dann das Wort an seine Gäste zu übergeben.

Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Statements.

Heinz Sichrovsky
Ich habe eine Darbietung von schrecklicher Mittelmäßigkeit erlebt, szenisch belanglos und konventionell - in etwas neueren Kleidern. Aber alte Schablonen in neuen Kleidern werden auch nicht neuer.

Das Stück wird ja auch an anderen großen Bühnen wie der "MET" gespielt, es ist jedoch völlig unverzeihlich, dass etwa im ersten Akt das Bett ganz hinten steht und das Bühnenbild Stimmen tötet. Zum Teil achtbare Leute waren nahezu unhörbar.

Angelika Kirchschlagers Figur hat mich als einzige interessiert, auch erotisiert, sie war die einzige glaubhafte Gestalt, verglichen etwa mit der Marschallin. Wenn einem da keine Träne entweicht, stimmt etwas nicht.

Was das Orchester betrifft: Wenn man das Vorspiel so rasant angeht, dann muss man so lange proben, bis alle mitkommen. Wenn man versucht, das Schmalz aus der Geschichte zu nehmen, sollte es nicht so postsowjetisch klingen. Ich habe einen eher dicken und dumpfen Klang gefunden, mit Ausnahme des Endes des ersten Satzes und des dritten Satzes.

Manuel Brug
Ich schätze Robert Carsen sehr, aber er hat diesmal mit sehr groben Mitteln gearbeitet. Der Schlussgimmick, dass Kaiser Franz Joseph vor seinen Heeren steht, ist für das Stück, das so viel nur andeutet, ein Hammerschlag zu viel. Und, dass in dem Stück eine ganze Portion "Mutzenbacherin" drinsteckt, ist klar, aber ein Beisl ist noch kein Bordell.

Der erste Akt ist von erschreckender Konvention. Ich habe selten erlebt, dass mich der Monolog der Marschallin überhaupt nicht rührt. Im zweiten Akt finde ich eine Menschenmaterialschlacht, aber der Aufwand rechtfertigt sich in keiner Weise.

Dem dritten Akt fehlte jedes Zentrum. Und vor allem, war Angelika Kirchschlager keine Frau, die einen Mann singt, der eine Frau spielt, sondern sie war einfach zu perfekt als Frau. Dadurch wackelt das alles. Der dritte Akt war zu groß, zu grob, zu eindeutig zu direkt und zu banal.

Was mit gefehlt hat, waren die Temposchwankungen, die etwa Carlos Kleiber ausgezeichnet hat, die Orgiastik, die plötzlich ein memento mori werden konnte. Ich würde diesen Rosenkavalier nicht weiter empfehlen, es sei denn, man will Pferde und zehn Hunde und zwölf nackte Nutten auf der Bühne.

Wilhelm Sinkovicz
Ich bin gar nicht so streng. Ich habe mich vor allem im dritten Akt sehr amüsiert, da gewinnt die Aufführung an Tempo, sie ist am Anfang noch sehr langsam. Bei jenen Stellen, in denen es um Zwischenmenschliches geht, hat Robert Carsen sehr sensibel gearbeitet. Der Ochs, zum Beispiel ist keine Knallcharge, sondern ist eine Figur, der man glaubt, dass sie ein Landedelmann ist und nicht einfach nur vom Land kommt.

Diese Detailfragen fand ich gut gearbeitet. Was die unglaubliche Show betrifft, die Carsen über alles gelegt hat, muss man sagen, dass schon Strauss die Ansiedelung im Rokoko durch seine spätromantische Musik bricht. Das Kitschige, das man bereits Strauss selbst vorgeworfen hat, wird durch die Inszenierung noch gedoppelt. Der Trick, die Inszenierung im Jahr 1911, dem Jahr der Uraufführung, spielen zu lassen, bringt nichts, nimmt der Aufführung aber auch nichts weg.

Man hat - wenn man Thielemann vielleicht ausnimmt - die Philharmoniker in den letzten Jahren selten so transparent gehört. Ich fand die Leistung sehr gut.

Man sollte vielleicht dazu sagen, dass der Abend dem verstorbenen Carlos Kleiber gewidmet war, was eine schwere Hypothek ist, denn Kleiber hat das Unglaubliche gemacht, er hat Hofmannsthal dirigiert, hat das Wienerische, das Zarte aus dem Orchester herausgeholt - manchmal sogar dort, wo es gar nicht drinnen steht.

Hier war es aus der Lust am großen Strauss-Klang geboren, manchmal auch ein wenig zu laut, aber dass man die Sänger nicht gehört hat, vor allem am Anfang, lag an dem nach oben offenen Bühnenbild.

Festzuhalten ist schließlich die sorgfältige Besetzung der kleinen und auch kleinsten Rollen.

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