Jahrzehnte einer Symbiose

Richard Strauss und Salzburg

Zu Beginn hatte Salzburg die Nase vorn und den prominentesten Musiker Deutschlands ins Boot geholt. Immerhin gehörte er zu den geistigen Vätern der Festspielidee. Schon im Sommer 1918 berief die neu gegründete Festspielhausgemeinde einen Kunstrat ein, dessen Mitglieder Max Reinhardt, Richard Strauss und Franz Schalk hießen. Der ihnen geistesverwandte, und ebenso festspielgedanken-erfüllte Hugo von Hofmannsthal konnte bald darauf seinen Freund, den letzten Generalintendanten der Hoftheater, Leopold von Andrian, für den Gedanken, wie für die Personalie begeistern. Und so kann es nicht wundern, dass das Hofoperndirektions-Duo, das Andrian noch im Oktober, quasi am Vorabend des Kriegsendes, ernannte, Strauss und Schalk hieß.

Strauss betrieb also die Eroberung der österreichischen Theater- und Konzertsäle, sowie des österreichischen Publikums mit einer Doppelstrategie, die in Salzburg begann, deren Schwerpunkt aber dann auf Wien lag. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie schrieb er aus Berlin an den Wiener Journalisten Ludwig Karpath: "Werde am Künstlertraum Wien-Salzburg festhalten."

"Ariadne", eine ideale Salzburg-Oper

Im Vorfeld hatte er der Hofoper schon 1916 mit der Premiere der zweiten "Ariadne"-Fassung die erste Strauss-Uraufführung ermöglicht und damit gleich seine ideale Salzburg-Oper geschaffen, denn er wurde nicht müde, zu betonen, im Komponisten ein "bescheidenes Mozart-Portrait" angestrebt zu haben.

Folgerichtig empfahl er ein Jahr danach Lilli Lehmann, die im Sommer 1917 wieder einmal ein Mozartfest an der Salzach veranstalten wollte, eine Aufführung seiner "Ariadne aus Naxos". Erst knapp ein Jahrzehnt später war "Ariadne" die erste Strauss-Oper, die bei den inzwischen gegründeten Salzburger Festspielen gezeigt wurde.

Künstlerischer Apparat aus Wien

Schon von Anfang an waren Strauss und Schalk, die neuen Herren der Staatsoper, bereit, den künstlerischen Apparat, über den sie verfügten, den Salzburger Festspielen zur Verfügung zu stellen. Doch im Jahr nach den ersten, ausschließlich Hofmannsthals "Jedermann" gewidmeten Festspielen im Juli 1921, hieß es in der Salzburger Chronik, dass die Staatsopern-Aufführungen, die Strauss und Schalk dirigieren wollten, wegen der gescheiterten Verhandlungen abgesagt werden mussten.

1922, im dritten Festspieljahr, war es dann endlich soweit: Die Wiener Staatsoper gastierte mit vier Mozart-Produktionen an der Salzach. Und zwar kameradschaftlich geteilt: "Entführung" und "Figaro" unter Schalk, "Don Juan" und "Cosi" unter Strauss, der überall, wo er sich als Dirigent vorstellte - zuletzt in zweifach leitender Funktion im Orchestergraben der Staatsoper - darauf achtete, sich zunächst als Interpret anderer Komponisten profilieren zu können, bevor er dann den eigenen Werken organisatorisch und interpretatorisch den nötigen Rückhalt verschaffte.

Schlechte Presse, Grundsteinlegung und Absage

Improvisation warf die Wiener Presse der Staatsopern-Exkursion an die Salzach vor, flotte Sorglosigkeit - auch dem Dirigat von Richard Strauss, der für Richard Tauber in die eine Ottavio-Arie einen Klavierpart hineinkomponiert hatte, wie Elsa Bienenfeld im "Neuen Wienere Journal" berichtete. In diesem Jahr 1922 kam es auch zur Grundsteinlegung für ein Festspielhaus in Hellbrunn, das nie gebaut wurde. Strauss stand im Mittelpunkt und wurde geehrt - auch als Mitbegründer der Festspiele.

Der nächste Schritt war dann noch im selben Jahr 1922: Die Ernennung zum Festspielpräsidenten. Eine Ehrung, die ohne praktische Auswirkungen blieb, denn in seiner Amtszeit gab es keine einzige musikalische Darbietung: 1923 wurde wie 1920 nur eine Schauspielproduktion unter Max Reinhardt realisiert - "Der eingebildete Kranke". Und im Jahr darauf mussten die Festspiele überhaupt abgesagt werden.

Strauss geht und kehrt 1926 wieder

Dann - 1924 - trat Strauss zurück, verließ im selben Jahr auch die Wiener Oper im Streit mit Schalk und zog sich in seinen Garmischer Schmollwinkel zurück, bis er vom neuen Generaldirektor der Bundestheater als Dirigent wieder gewonnen werden konnte. Der Auftakt zu diesem kulturpolitischen Erfolg wurde im Salzburger Festspielsommer 1926 gegeben:

Erstmals setzte die Salzburger Festspielleitung eine Strauss-Oper aufs Programm. Clemens Krauss dirigierte "Ariadne auf Naxos" und überließ an einem Abend dem Komponisten das Pult der Wiener Philharmoniker. Und just für jenen Abend reiste auch der Generaldirektor der Bundestheater aus Wien an und bat Strauss um ein Gespräch. Mit dem bekannten Resultat: In der kommenden Saison stand Strauss also wieder am Pult der Wiener Staatsoper, während sich in den Salzburger Festspiel-Programmen der Komponist Strauss mehr und mehr durchzusetzen begann. Allerdings nur als Zweiter, denn dem Genius loci ließ man schon den Vortritt in der Aufführungsstatistik.

Einzig aufgeführter lebender Komponist

Auch in Wien trat der Komponist Strauss in der Ägide des Opernchefs Strauss bescheiden zurück - in die zweite Reihe nach Wagner. Aber in der Saison 1921/22 standen beispielsweise ebenso oft Strauss-Opern auf dem Spielplan der Staatsoper, wie jene von Verdi und Mozart zusammengenommen!

Den ersten Platz behauptete Strauss nur unter den zeitgenössischen Komponisten - das gilt für Wien - unter seiner Herrschaft, wie für Salzburg bis zu seinem Tod. Ja, in Salzburg war er gar der einzig aufgeführte, lebende Opernkomponist. Und blieb es bis 1947, also fast drei Jahrzehnte lang - bis zur Uraufführung von Gottfried von Einems "Dantons Tod".

"Rosenkavalier"-Erfolgsstory seit 1929

Die Salzburger Erfolgsgeschichte des "Rosenkavalier" begann 1929. Und verfügt über eine beispiellose Bilanz: Fast vier Dutzend Aufführungen bis zum Tod des Komponisten, kaum ein Sommer, in dem das Werk fehlt.

Einige Jahre danach, 1932, steht Richard Strauss wieder in Salzburg am Pult der Wiener Philharmoniker - aber nur auf dem Konzertpodium als Interpret eigener Werke. Im Theater trägt er lieber sein Schärflein zur Entwicklung seiner Idee vom Opernmuseum bei, mit den Ideal-Aufführungen der Klassiker und dirigiert Beethovens "Fidelio".

1933 und die Folgen

Neben dem "Zarathustra" und der "Alpensymphonie" wird das Festspielpublikum 1932 mit einer Strauss-Opern-Erstaufführung konfrontiert: "Die Frau ohne Schatten" ist die dritte Strauss-Oper im Festspiel-Repertoire. Und 1933 folgt als vierte "Die ägyptische Helena" - diesmal fast eine Uraufführung, denn Strauss hat sie für diesen Zweck musikalisch aber auch dramaturgisch beträchtlich revidiert. Das Jahr 1933 war allerdings auch jenes der NS-Machtergreifung und damit änderte sich viel - für Strauss und für Salzburg.

Die Festspiele sollten in erster Linie durch die die Tausendmarksperre in den Ruin getrieben werden, darüber hinaus durch einen, von der Reichsregierung für das Folgejahr anbefohlenen Künstlerboykott. Mit folgendem Ergebnis: Nicht nur Furtwängler, auch Strauss durfte an der Salzach nicht mehr dirigieren. Das war hart, besonders für Strauss. Denn für das Jahr 1934 war ein großes Strauss-Festival geplant - aus Anlass seines 70. Geburtstages. Der Opernkomponist Strauss sollte diesmal auch an der Salzach den Opernkomponisten Mozart überholen, was die nationale und internationale Presse deutlich kritisierte.

Auswirkungen auf Salzburg

Doch soweit kommt es nicht - Goebbels spricht ein Ausreiseverbot aus, Strauss sagt sein Kommen und das "Fidelio"-Dirigat ab, Clemens Krauss muss die Beethoven-Oper übernehmen und in der Folge wird die "Frau ohne Schatten", die Krauss hätte dirigieren sollen, vom Festspielplan gestrichen. Im letzten Moment kann Strauss für den Besuch seiner "Elektra", der Salzburger Opern-Novität des Jubiläumsjahres, eine Sondererlaubnis erwirken.

1934 wurde sie noch von Clemens Krauss dirigiert, 1937, bei der nächsten Serie, stand Hans Knappertsbusch am Pult, denn Krauss war im Schuschnigg-Österreich mit Toscanini als führender Figur in Salzburg nicht mehr erwünscht, seit er die Staatsoper am Ring mit jener unter den Linden vertauscht hatte.

Wende im "Anschluss"-Jahr 1938

Doch schon im Folgejahr, dem Jahr des "Anschlusses", begann sich das Blatt zu wenden und ab 1941 bestimmte Clemens Krauss, was bei den Salzburger Festspielen zu geschehen hatte. Da wurde dann 1942 mit Viorica Ursuleac, recte Frau Krauss, "Arabella" in den Spielplan aufgenommen und darüber hinaus eine Strauss-Uraufführung geplant.

Damit wären wir bei Nummer sieben der Strauss’schen Opern-Statistik an der Salzach angelangt, doch "Die Liebe der Danae" brachte es 1944 - wegen der kriegsbedingten Theatersperre nur bis zur Generalprobe , einer öffentlichen allerdings. Damit übertraf das Strauss-Repertoire mit sieben Opern jenes von Mozart, von dem bis Kriegsende nur sechs verschiedene Opern bei den Salzburger Festspielen zu sehen waren.

Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg

Erst nach dem Krieg brach eine neue Zeit an, schien Salzburg ein Ort auch für zeitgenössische Musik zu werden, ohne eine spürbare Vernachlässigung des Altmeisters.

Noch zu Strauss’ Lebzeiten, nämlich 1947, wurde Gottfried von Einems "Dantons Tod" uraufgeführt, 1948, der "Zaubertrank" von Frank Martin - beides unter dem Shooting Star Ferenc Fricsay. 1949 kam Carl Orff mit seiner "Antigonae" an die Reihe und in diesem Stil ging es auch nach dem Tode von Richard Strauss weiter.

Text: Robert Werba

Mehr zum "Rosenkavalier" in Ö1 Inforadio

ORF-Tipp
Richard Strauss: "Der Rosenkavalier"
Freitag, 6. August 2004
19:00 Uhr live in Ö1
ORF 2 ab 18:50 Uhr

Erste Hörproben aus der Rosenkavalier-Generalprobe in
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