Falsche Annahmen

02. Mythen zur Kostenfrage

In der Diskussion sind immer wieder Floskeln zu hören, die bei genauerer Betrachtung nicht stimmen. Einige Beispiele:

Mythos 1 - Der Wettbewerb macht's billiger
Es gibt keinen funktionierenden Markt im Gesundheitswesen, weil Anbieter und Nutznießer nicht gleichberechtigt sind. Patienten sind keine Kunden, sondern Bedürftige. Deshalb ist ihre Nachfrage fast unendlich - egal was die Leistung kostet. Außerdem entscheiden nicht die Patienten, sondern eben die Leistungserbringer, was nachgefragt wird. (vgl. R.Hall, C. Jones 2007).

Daher macht der Wettbewerb ein Gesundheitssystem nicht billiger. Dies ist an den Beispielen der Länder mit den höchsten Ausgaben für Gesundheit leicht nachzuvollziehen. In den USA, der Schweiz und in Deutschland gibt es reichlich Wettbewerb und die Kosten sind zum Teil deutlich höher als in Österreich. Zwei Gründe dafür sind eben die höheren Gesundheitsausgaben und höhere Verwaltungskosten.

Mythos 2 - Selbstbehalte helfen sparen
Nicht die Patienten entscheiden über die Art der Behandlung, sondern die Leistungserbringer (Ärzte). Es gibt international kein Beispiel, wo Selbstbehalte auch nur mittelfristig den Konsum von Leistungen reduziert haben. Sie bringen den Krankenkassen allerdings mehr Geld - von den Kranken und Bedürftigen. Diese zahlen quasi ein zweites Mal, werden also für ihr Leid bestraft.

Mythos 3 - Eigenverantwortung hilft
Ist der Mensch also selbst Schuld an (bestimmten) Erkrankungen - das ist eine der Kernfragen. Wenn also alle schlank wären, nicht rauchen und keinen Alkohol trinken würden etc. - dann würde es um die Volksgesundheit besser stehen! Natürlich sind einige Krankheitsbilder durch Lebensgewohnheiten bedingt - keine Frage. Das ist aber keineswegs die ganze Wahrheit.

Dazu sagt die WHO:
Lebensbedingungen sind das Ergebnis von sozialen und ökonomischen Umständen und der physikalischen Umwelt - die alle Einfluss auf die Gesundheit haben können - und sie liegen größtenteils außerhalb der direkten Kontrolle des Einzelnen.
(WHO, 1998)

Für die Gesundheit wirksam sind also auch Faktoren wie Arbeitslosigkeit (zirka 300.000 Arbeitssuchende in Österreich - Krankenstandstage von Arbeitslosen sind mehr als doppelt so hoch), höhere Anforderungen der Arbeitswelt und Armut (13 Prozent der Bevölkerung, 1,04 Millionen Menschen haben weniger als 848,- Euro pro Monat zur Verfügung und gelten somit als armutsgefährdet. Sechs Prozent der Bevölkerung, 480.000 Menschen sind arm).

In Ländern wie Österreich geht es bei dieser Debatte im Kern auch um die Frage: Definieren wir künftig Krankheit als Folge individuellen Versagens? Mit anderen Worten: Hat das Solidaritätsprinzip ausgedient und werden Entsolidarisierung und Mitleidlosigkeit die Zukunft prägen?

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