Auszüge aus dem Koalitionspapier

14. Gesundes Regierungsprogramm

Die Bundesregierung bekennt sich zu einem starken öffentlichen Gesundheitssystem und zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung für alle Menschen in Österreich, unabhängig von Einkommen, Alter, Herkunft, Religion oder Geschlecht.

Im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik der Bundesregierung steht der Bedarf der PatientInnen.

Die Entwicklung hin zu einer "Zwei-Klassen-Medizin" ist zu verhindern.

Das Gesundheitssystem ist solidarisch zu finanzieren.

Die Bundesregierung bekennt sich zur im System der Selbstverwaltung geführten Sozialversicherung.

Zur Steigerung der Effizienz muss eine gemeinsame Strategie, Planung und Steuerung des Gesundheitswesens erfolgen.

1. Gesundheitsförderung und Prävention
Erstellung nationaler Gesundheitsziele insbesondere für die Bereiche Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Demenz, Diabetes, Übergewicht, Bewegung, Ernährung und psychische Gesundheit

Orientierung an den Lebenswelten und Zielgruppen (zB. Schule, Lehre, Arbeitsplatz; Langzeitbetreuung, SeniorInnen, MigrantInnen, sozial benachteiligte Gruppen)

Weiterentwicklung der nationalen Sucht- und Suizidpräventionsstrategie mit
besonderem Augenmerk auf die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen zielgruppenorientierte Schwerpunktsetzung zur Inanspruchnahme der Gesundheitsvorsorgeuntersuchung.

Weiterentwicklung und Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung

Eine Gesamtsteuerung auf österreichischer Ebene erfolgt über die Bundesgesundheitskommission.

2. Verbesserungen für PatientInnen
Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems ist auf die Interessen der PatientInnen einzugehen. Dazu ist eine Überarbeitung und Anpassung des Leistungsangebotes des öffentlich finanzierten Gesundheitswesens an den Bedarf der PatientInnen (insbesondere Zahnmedizin, Psychotherapie und Impfung für Kinder und Erwachsenen) unter Sicherstellung der Finanzierung durchzuführen.

Ein verbesserter Zugang zu Leistungen für PatientInnen ist durch folgende Maßnahmen zu schaffen:

  • transparentes Wartezeitenmanagement bei Operationen
  • patientenfreundliche Öffnungszeiten, Erreichbarkeit in der Nacht, Hausbesuche
  • Casemanagement und Möglichkeit der Direktbelieferung durch die SV-Träger für immobile/chronisch kranke PatientInnen
2.1. PatientInnenrechte
Schaffung einer sektorenübergreifenden Zuständigkeit der Patientenanwaltschaften.

Um die Unabhängigkeit der Selbsthilfegruppen zu stärken soll eine öffentliche Unterstützung erfolgen.

Die Patientencharta ist zeitgemäß zu überarbeiten und zu erweitern.

2.2. Schwerpunkt Kinder/Jugendgesundheit
Im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde sind im niedergelassenen Bereich Maßnahmen zu setzen, um eine bessere Versorgung, sowohl regional, als auch zu Tagesrandzeiten sowie an Sonn-und Feiertagen zu gewährleisten.

Die Strategie für eine "gesunde Schule" (z.B. Bewegung, Ernährung, psychische Gesundheit, Umwelt, Ergonomie, Sucht, zeitadäquates Gesundheitsbetreuungsprogramm) wird weiterentwickelt.

Ausbau der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung.

Entwickelt wird eine Gesundheitsstrategie für erwerbstätige Jugendliche.

Medizinisch nicht notwendige Schönheitsoperationen müssen konkret geregelt werden, um dabei medizinische Standards sicherzustellen und Missbrauch bei Jugendlichen zu verhindern.

2.3. Frauengesundheit
Frauengesundheit und Gendergerechtheit sollen im Sinne einer Health-in-all-Policies-Strategie als Schwerpunkte im Gesundheitssystem integriert werden.

Bei der Versorgung ist auch besonders auf niederschwellige Angebote für sozial benachteiligte Frauen Bedacht zu nehmen.

Die betriebliche Gesundheitsförderung, speziell im Niedriglohnbereich, der vor allem Frauen betrifft, wird ausgebaut.

Die geschlechtsspezifische Erprobung von Pharmazeutika ist zu forcieren.

Rund 18 Prozent der Frauen erleiden nach der Geburt psychische Krisen und Depressionen. Daher soll psychosoziale Schwangerenbetreuung von sozial und psychisch belasteten schwangeren Frauen ausgebaut werden.

Die Bundesregierung bekennt sich zu Maßnahmen des Schutzes von Opfern psychischer, physischer und sexueller Gewalt (z.B. Traumabehandlung)

2.4. Rehabilitation
Weiterentwicklung der stationären und ambulanten Rehabilitation und Klärung der
Zuständigkeit auf Basis moderner Qualitätsstandards für alle Altersgruppen.

3. Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen
Zur flächendeckenden Sicherung und Verbesserung der Qualität im österreichischen
Gesundheitswesen sind die in der geltenden Art 15a B-VG -Vereinbarung über die
Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens vorgesehenen
einschlägigen Bestimmungen rasch umzusetzen.

Das Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) ist als zentrale
unabhängige Qualitätsagentur auszubauen. Ein Qualitätsbericht wird erstellt und
veröffentlicht. Darauf aufbauend werden messbare Qualitätsziele für sämtliche
Versorgungssektoren formuliert.

Für Leistungsanbieter aller Versorgungsebenen ist verbindlich ein
Qualitätsmanagement vorzusehen. Ergänzend dazu sind Systeme der
Qualitätskontrolle und der Fehlervermeidung (Fehlerberichtsysteme) einzurichten.
Bis Ende 2009 soll eine Arbeitsgruppe Vorschläge für eine zeitgemäße Haftung für
Patientenschäden erarbeiten.

Die Vertragspartner der Kassen sind gesetzlich zur Einhaltung von Qualität und
Effizienz zu verpflichten. Bei nachhaltigen Verstößen gegen diese Prinzipien werden
Sanktionen vorgesehen.

Qualitätskriterien, die ausschließlich den niedergelassenen Bereich betreffen, werden
durch die Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich erlassen, d.h. der/die
zuständige BundesministerIn kann Weisungen über Inhalt der Kriterien erteilen. Die
Kontrolle der Qualitätskriterien erfolgt gemeinsam zwischen BundesministerIn,
Ärztekammer-Institut und Sozialversicherungsträgern.

4. Beschäftigte im Gesundheitswesen
Im Interesse aller Beteiligten im Gesundheitswesen sind folgende Maßnahmen
notwendig:
  • Aktualisierung und Modernisierung der Berufsbilder
  • Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung
  • Vertikale und horizontale Durchlässigkeit aufgrund modularer Ausbildungen
  • Die Studie "Prozessqualität und Personaleinsatz" ist rasch abzuschließen
  • Längerer Verbleib im Berufsleben durch Aging-Modelle
  • Die Sozialpartner sollen die Aufnahme von Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates in die Berufskrankheitenliste prüfen.
  • Die Registrierung der Berufsberechtigungen sowie der absolvierten Fortbildungen und die Ausstellung von Berufsausweisen obliegt den bestehenden überbetrieblichen Interessensvertretungen
5. Forschung, Lehre und Ethik
Besondere Beachtung sollen Forschung, Lehre und Ethik erfahren. Dazu sind folgende Maßnahmen insbesondere notwendig:

  • Mit der Umsetzung von geeigneten (legistischen) Maßnahmen soll der raschen Entwicklung der biomedizinischen Forschung samt der daraus sich ergebenden gesellschaftlichen und ethischen Fragestellungen Rechnung getragen werden (z.B. Pränataldiagnostik und Präimplantationsdiagnostik).
  • Beitritt Österreichs zur Biomedizinkonvention des Europarates
  • Verpflichtende Genderanalyse in medizinischer Forschung
  • Forschung im Bereich der Ergebnisqualität
  • Auf- und Ausbau von Gesundheitsökonomie und Public Health an Universitäten in öffentlicher Hand und tertiären Bildungseinrichtungen
6. Integrierte Versorgung, Struktur und Steuerung
Ziel ist eine gemeinsame strategische Ausrichtung, integrierte und sektorenübergreifende Planung und Steuerung im Gesundheitswesen. Die in der geltenden Art 15a B-VG –Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung im Gesundheitswesen enthaltenen Planungs- und Steuerungsansätze müssen weiterentwickelt werden. Dabei ist die Verbindlichkeit in der Gesundheitsplanung durch wechselseitige Abstimmung der intra- und extramuralen integrierten Leistungsangebotsplanung zu erhöhen und eine sektorenübergreifende Finanzierung für den ambulanten Bereich anzustreben.

In Vorbereitung zum nächsten FAG bekennt sich die Bundesregierung zur Möglichkeit der Bildung von Modellregionen mit dem Ziel der Einführung neuer integrierter Modelle zur gemeinsamen österreichweiten Strategie, Planung und Steuerung. Die Regionen und die Modelle werden gemeinsam erarbeitet und in der Bundesgesundheitskommission nach einem Masterplan beschlossen.

Durch integrierte Versorgungsangebote ist die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des österreichischen Gesundheitssystems zu erhöhen. Dabei ist insbesondere der Zugang derPatientInnen zu Leistungen zu verbessern (Öffnungszeiten, Erreichbarkeit in der Nacht/Wochenende, Hausbesuche). Im ambulanten Bereich sind unter Bedachtnahme auf qualitative und ökonomische Gesichtspunkte bedarfsorientierte, neue Versorgungsangebote zu schaffen. Ein Hausarztmodell ist zu erarbeiten und gegebenenfalls umzusetzen.

Die Ergebnisse der LKF-Evaluierung müssen in die Weiterentwicklung der Spitalsversorgung einfließen.

Zur Überbrückung von Versorgungsschnittstellen hat die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (e-health) im Gesundheitswesen hohe gesundheitspolitische Priorität. Große Bedeutung kommt dabei unter strenger Einhaltung des Datenschutzes der elektronischen Patientenakte (ELGA) und der Kontrolle der Vereinbarkeit von Arzneimittelverordnungen (z.B. e-Medikation, Arzneimittelsicherheitsgurt) zu, die im Interesse der Patienten rasch verwirklicht werden müssen. Der Arzneimittelsicherheitsgurt und das öffentliche Gesundheitsportal sollen bis Ende 2009 umgesetzt werden. Dazu ist u.a. die Verwendungspflicht der e-card in allen Vertragspartnerbereichen erforderlich.

Die Vertragspartner haben bei Inanspruchnahme der e-card dafür zu sorgen, dass die Anwendungskontrolle vor Ort erfolgt. Anwendungsauffälligkeiten sind vom KV-Träger zu prüfen. Maßnahmen gegen missbräuchliche Verwendung sind zu setzen.

Ergebnisqualitätsvergleiche sind auszubauen. Qualitätsgesicherte Patienteninformation soll die Kompetenz der Versicherten bzw. Patienten erhöhen.

Es werden qualitätsgesicherte und multidiziplinäre Leitlinien sowie Disease-Management-Programme für die häufigsten Krankheitsbilder (Diabetes mellitus,
Schlaganfall,…) erstellt und umgesetzt.

7. Ausbau der palliativen Versorgung
Entsprechend dem ÖBIG Bericht zur abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich ist die Angebotsentwicklung an mobilen Hospiz- und Palliativteams und Konsiliardiensten, Hospiz- und Palliativbetten (auch in Heimen) und Tageshospizen
umzusetzen.

8. Finanzierung
Die Bundesregierung bekennt sich zur Sicherung der solidarischen Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens.

8.1. Spitalsfinanzierung
Für die Finanzierung des Gesundheitswesens sind unter Berücksichtigung der bestehenden Art.15 a B-VG Vereinbarung und des FAG im Hinblick auf die Spitalsfinanzierung Effizienzpotentiale zu analysieren und bis 2011 geeignete Maßnahmen zu entwickeln.

8.2. Finanzierung der Krankenkassen
Die Bundesregierung bekennt sich zum schrittweisen Abbau des negativen Reinvermögens der Krankenversicherungsträger und knüpft diese an eine erbrachte oder fix vereinbarte, nachvollziehbare Dämpfung der Ausgabendynamik und neue Verteilungsmodelle unter stärkerer Berücksichtigung von Strukturfragen.

Die Liquiditätssituation der Kassen hat sich durch die Halbierung der Mehrwertsteuer
auf Medikamente und durch die zwischen Hauptverband und Pharmaindustrie und abgeschlossene Vereinbarung verbessert.

Die Höhe der GSBG-Mittel wird beibehalten. Die über die 1:1 Abgeltung der Mehrwertsteuer hinausgehenden Mittel werden entsprechend des Liquiditätsbedarfes auf die überschuldeten Träger verteilt.

Die Träger haben alle Anstrengungen zu unternehmen um alle Kostendämpfungspotentiale zu realisieren. Die Bundesregierung wird die Träger durch Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen unterstützen eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik zu ermöglichen.

Das Vertragspartnerrecht ist in enger Abstimmung mit den betroffenen Sozialversicherungsträgern und Ärztekammern zu modernisieren und den Bedürfnissen einer lückenlosen und ungebrochenen Patientenversorgung anzupassen.

Ganz besonderes Augenmerk ist auf die Kostenentwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette bei den Heilmitteln und deren Verordnung zu legen.

Entwicklung von Modellen zur Flexibilisierung des Vertragspartnerrechts (z.B. Streichung der sozialen Härteklausel)

Heben der Effizienzpotentiale im Vertragspartnerbereich nach den Vorstellungen des Rechnungshofberichts und der Vertragspartneranalyse

Zur Vermeidung von Mehrfachbegutachtungen wird eine einheitliche medizinische Begutachtungsstelle für die Bereiche Pensionsversicherung, Arbeitsmarktservice, Unfallversicherung, Pflegegeld, Behinderungen und Sozialhilfe angestrebt (Gesundheitsstraße).

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