von Hans Haid
Mit Tränen füllt man keine Betten
Waren die Bergbauern früher noch Hüter der Landschaft, so wurden sie mehr und mehr vom Kapitalismus bestimmt. Ein Kritiker des Massentourismus predigt, argumentiert, polemisiert und wettert gegen den Ausverkauf und gegen die Zerstörung der Alpen.
8. April 2017, 21:58
Hans Haid setzt sich in seinem Hörspiel mit dem programmatischen Titel "Mit Tränen füllt man keine Betten" ebenso kritisch wie ironisch mit dem Massentourismus im Tiroler Ötztal auseinander. In teils recht surrealen Bildern wird das Leben in den Wintertourismus-Metropolen wie etwa Sölden durchstreift. Und wenn der Autor davon erzählt, dann weiß er sehr genau, wovon er spricht - ist er doch in mehreren Initiativen, die sich sehr kritisch mit dem Schaden, den die ökonomische Ausbeutung der landschaftlichen Ressourcen anrichtet, auseinandersetzen, aktiv. Haid, den sein Autorenkollege Peter Turrini einmal den "Alpen-Abraham-a-Sancta-Clara" nannte, predigt, argumentiert, polemisiert, wettert in diesem Stück gegen den Ausverkauf und gegen die Zerstörung der Alpen.
Schönheit der Landschaft contra Ausverkauf
Natürlich ändern sich durch dieses rücksichtslose Gewinnstreben auch die Lebensgewohnheiten der ansässigen Bevölkerung. Waren die Bergbauern von früher noch Hüter der Landschaft, der Almen, die sie bewirtschafteten, so wurden sie mehr und mehr vom "Goldenen Kalb", der Möglichkeit innerhalb einer Saison möglichst viel Kapital aus der Gegend zu schlagen, beseelt. Der Autor stellt dabei in teilweise sehr poetischen Passagen die Schönheit der Landschaft gegen die Werbegags, mit denen diese kalt und rücksichtslos vermarktet und verkauft werden soll.
Kein "Werbeschmäh" ist dabei der dahinterstehenden Industrie zu billig: Begonnen mit immer weiter für den Schitourismus erschlossenen Regionen bis hin zur Vermittlung des altbekannten Images "Auf der Alm, da gibt’s ka Sünd". So werden die potentiellen Touristen mit Billigstangeboten gelockt, grenzen- und hemmungsloser Sex wird ihnen versprochen, Schilehrer und Schilehrerinnen werden im verführerischen Lächeln ausgebildet. Hansi Hinterseer, der Mitte seiner 50er noch immer versucht auszusehen wie 25, singt lächelnd und braungebrannt dazu.
Großes kulturelles Erbe
Haid spricht vor diesem Hintergrund ganz hart von Prostitution und Hurerei, er geißelt die Zuhälter des Tourismus. Und er vergisst nicht, die durch diesen enthemmten Kapitalismus ausgelösten Naturkatastrophen sehr geschickt einzubringen und anzuprangern. Daneben steht das große kulturelle Erbe, das diese Gegend einst zu bieten hatte. So komponierte etwa Ernst Krenek, auch wenn manche der Tiroler ihn nicht so recht mochten, galt er doch durch seine Auseinandersetzung mit modernen Kompositionsstilen als suspekt und nicht zuletzt etwas später den Nationalsozialisten als "Kulturbolschewik".
Der Autor streift in "Mit Tränen füllt man keine Betten" sehr viele Facetten und dazwischen stehen immer wieder Bilder aus der Apokalypse. Und letzen Endes scheinen die Naturkatastrophen, die in den letzten Jahrzehnten gehäuft stattgefunden haben, seiner Sicht der Dinge, dass nämlich das Nicht-Maßhalten zwangsläufig dazu führt, dass die Natur sich rächt, recht zu geben.
Akustische Collage
Haids Texte wurden von Regisseur Nikolaus Scholz zu einer akustischen Collage montiert. Das zynische Personal der Tourismusprofiteure kracht darin auf Haids Poesie, Krenek duelliert sich musikalisch mit Hansi Hinterseer. Nikolaus Scholz hat in dieser Arbeit allerdings die "Urviecher" des Autors aus ihrer ursprünglichen "Natürlichkeit" herausgenommen und ihnen eine Künstlichkeit verliehen, die uns immer zu verstehen gibt, dass dieses pervertierte Tirol eigentlich überall auf der Welt stattfindet.
Zum Autor
Hans Haid wurde 1938 in Längenfeld im Ötztal, Tirol, geboren. Nachdem er als Angestellter gearbeitet und die Externistenmatura absolviert hat, begann er sein Studium der Volkskunde an der Universität Wien, das er 1974 abschloss. Seit 1967 veröffentlicht er seine literarischen Arbeiten, darunter zahlreiche Rundfunkproduktionen. Seit 1972 ist er als freiberuflicher Schriftsteller tätig und organisiert internationale Tagungen zur österreichischen Regional- und Dialektliteratur und zur Volkskultur. Er lebt in Heiligkreuz im Venter Tal bei Sölden auf dem 1680 m hoch gelegenen Hof "Roale".
Neben seiner schriftstellerischen Arbeit ist er in diversen Vereinen engagiert, die sich mit der Entwicklung und dem Einfluss des Tourismus auf den ländlichen Raum beschäftigen. So überrascht es auch nicht, dass das bestimmende Thema vieler seiner Arbeiten die Beeinflussung des Alpenraums durch die Auswüchse des Massentourismus darstellt.
Hans Haid erhielt 1997 für sein Engagement den Großen Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz der Binding-Stiftung Schaan sowie 1999 den "Grünen Oskar" des Bayerischen Fernsehens, Redaktion Umwelt. 2007 verlieh ihm Bundespräsident Heinz Fischer den Ehrentitel Professor.
Service
Buch Hans Haid, "Similaun", Skarabaeus Verlag