von Peter Handke

Versuch über die Jukebox

Nachdem er in seinem Hotelzimmer die Bleistifte vorbereitet hat, begibt sich der Autor an diverse Orte, an denen er den Gegenstand seines Beschreibungsversuches vermutet: Bahnhöfe, Tankstellen, halbleere Cafés, selten im Zentrum, niemals in Hotels.

Die Herkunft der Musikautomaten

Ein Schriftsteller will sich selbst neu erfinden. Sich selbst und sich als Schriftsteller. Für seinen Versuch zu neuen Möglichkeiten seines Schreibens, seines Beschreibens, zu finden, wählt er einen ebenso außergewöhnlichen wie trivialen Gegenstand: die Jukebox. Sie ist ihm Hilfe, die Angel der Tür, die die Verbindung zu dem Raum ist, den er gerne betreten möchte; eine Landkarte, auf der Peter Handke zum Ziel, dem Schreiben an sich, zu finden versucht.

Suche nach dem Gegenstand

Der Schriftsteller begibt sich auf eine Reise, er nimmt einen Bus nach Soria, einer abgelegenen Stadt im kastilischen Hochland. In der Abgeschiedenheit, so nimmt er an, könnte sein Vorhaben gelingen, eine belebtere Umgebung würde sein Bestreben nur unnötig stören. Nachdem er in seinem Hotelzimmer die Bleistifte vorbereitet hat, begibt er sich an diverse Orte, an denen er den Gegenstand seines Beschreibungsversuches vermutet: Bahnhöfe, Tankstellen, halbleere Cafés, selten im Zentrum der Städte, niemals in Hotels.

Handke streift auf seiner Reise zunächst die Entstehungsgeschichte der Jukebox, die mögliche Entstehung ihres Namens aus dem Wort afrikanischen Ursprungs "to jook" und damit verbundenen "juke points", Plätzen, an denen sich während der Prohibitionszeit in den 1920er Jahren Afroamerikaner trafen, um ihre Tanzveranstaltungen abzuhalten.

Der Autor begegnet auf seiner Suche schließlich den unterschiedlichsten Arten und Formen dieser Musicboxes, deren berühmteste wohl die von Rudolph Wurlitzer oder J.P. Seeburg hergestellten Modelle seit den 1950er Jahren darstellen. Handke betrachtet nicht nur die Aspekte der kulturellen Bedeutung der Jukebox, sondern für ihn steht bei seinem Schreiben vor allem auch die Wahrnehmung derselben im Vordergrund.

Erzählen und Beschreiben

Zugleich stellt diese Reise aber auch einen Selbstfindungsprozess des Reisenden dar, im Rahmen dessen er durch die genaue Beobachtung seiner selbst und seines Schreibens über Möglichkeiten des Erzählens und Beschreibens philosophiert. Diese zweite Ebene führt er durch die allmähliche Personifizierung der Maschine ein, es scheint immer wieder, dass der Automat zu einer realen Person geworden ist. Über das Objekt gelangt er so zu einem Weg, über sich selbst zu schreiben: über das Leben, über das Schreiben, was ihn als Schriftsteller schlussendlich ausmacht.

Und es ist auch die Musik, die die Gedanken eines Menschen in diesem Text unabhängig von der Zeit werden lassen und ihn in die Lage versetzen, Vergangenes wieder gegenwärtig zu machen. Begleitet wird der Wandernde dabei von Klassikern, die in so ziemlich jeder Jukebox bis heute zu finden sind, wie Janis Joplin, Chuck Berry, Creedence Clearwater Revival und vielen anderen mehr. Und nur wer sich bewegt, kann frei atmen und somit zu neuen und frischen Gedanken gelangen.

Zum Autor

Der 1942 in Griffen, Kärnten, geborene Peter Handke maturierte 1961 in Klagenfurt. Anschließend begann er, trotz seiner ersten erfolgreichen Versuche und des drängenden Wunsches Schriftsteller zu werden, an der Universität ein Studium der Rechtswissenschaften. Ab 1963 arbeitete er für Radio Graz, ein Jahr später schloss er sich der "Grazer Gruppe" an. Sein Erstlingsroman "Die Hornissen" erschien 1966. Einen Förderer im dramatischen Bereich fand er im späteren Wiener Burgtheaterdirektor Claus Peymann, der seine ersten Stücke wie "Publikumsbeschimpfung" im Theater am Turm in Frankfurt/Main inszenierte.

Unzählige seiner Stücke wurden in der Folge bis heute an diversen deutschsprachigen Bühnen aufgeführt, nicht zuletzt am Wiener Burgtheater. Handke gilt als einer der wichtigsten österreichischen Literaten. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für sein Werk, unter anderem sämtliche, im deutschen Sprachraum vergebene, wie 1967 den Gerhart-Hauptmann-Preis, 1973 den Georg-Büchner-Preis, 1987 den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur und 1991 den Franz-Grillparzer-Preis. Bis heute ist Peter Handke nicht nur einer der wichtigsten Autoren, sondern auch ein Unbequemer geblieben, der sich nicht scheut seine - wenn auch bisweilen kontroversiellen - Ansichten klar auszusprechen.

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