von Carl Djerassi

Vier Juden auf dem Parnass

Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Gershom Scholem und Arnold Schönberg haben sich auf dem Sitz der Musen versammelt, um sich auszutauschen. Allen vieren ist gemeinsam, dass über ihren Tod hinaus noch einige Dinge ungeklärt geblieben sind.

Briefe oder Liebesbriefe?

Vier Herren, allesamt gelten sie als "die" Heroen der Geistes- und Kulturgeschichte, sitzen auf dem Parnass und plaudern miteinander. Dabei hätten sie allen Grund, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Man hat ihnen Denkmäler errichtet, Straßen und Plätze nach ihnen benannt. Dennoch sind diese vier Herren noch einmal zusammen gekommen, da sie auch lange nach ihrem Ableben noch von Zweifeln geplagt werden.

Verhör der (Ehe-)Frauen

Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Gershom Scholem und Arnold Schönberg haben sich auf dem Sitz der Musen versammelt, um sich auszutauschen. Allen vieren ist gemeinsam, dass, abseits ihrer wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Karrieren und Erfolge, über ihren Tod hinaus noch einige Dinge ungeklärt geblieben sind: Wie hat ihr Liebes- und Eheleben wirklich ausgesehen? Waren ihre Ehefrauen auch tatsächlich treu? War der Briefwechsel zwischen Walter Benjamin und Adornos Frau Gretel nicht eine Spur zu intim? Hatte Arnold Schönbergs Frau Mathilde Zemlinsky etwas mit Alban Berg?

Um die quälenden Zweifel auszuräumen, werden die Ehefrauen, eine nach der anderen, schließlich mit einem Tagesvisum auf den Parnass beordert. Und es sind allesamt starke Frauen, sie werden verhört von ihren eitlen, narzisstischen und sich pfäuisch gebärdenden Männern.

Acht Persönlichkeiten im Gespräch

Der Parnass ist der zweithöchste Berg Griechenlands, in der Antike war er Apoll geweiht und galt als Sitz der Musen. Eine Aufenthaltsberechtigung auf dem Parnass war allein den allergrößten unter den Dichtern und Denkern vorbehalten. So nimmt es auch nicht Wunder, dass Carl Djerassi diesen Ort für sein Stück gewählt hat, in dem er die schwachen Seiten der großen Geister lustvoll vorführt. Mit Witz und Ironie gibt er darin Antworten auf Fragen, die die noble Kulturgeschichte so erst gar nicht stellen würde.

Der Regisseur Harald Krewer hat die Konfrontationen zwischen den, das Denken des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitbestimmenden, Persönlichkeiten und ihren Frauen kurzum in ein Hörstück verwandelt. Und auch der Autor selbst kommt - als außerhalb stehender - Erzähler zur Sprache. Sehr prominent besetzt ist Arnold Schönberg, dem Karl Markovics die Stimme leiht. Aber auch die Liste der Damen kann sich sehen lassen: Chris Pichler spricht die Rolle Mathildes, der Gattin Schönbergs, und Maria Happel die Rolle Dora Sophies, Walter Benjamins Frau. Gerhard Scholems Gemahlin Escha wird von Andrea Clausen und Gretel, die Ehefrau Adornos, von Sabine Haupt dargestellt.

Zum Autor

Carl Djerassi wurde 1923 in Wien als Sohn eines jüdisch-bulgarischen Ärzte-Ehepaares geboren. Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 wanderte er zunächst nach Bulgarien und dann in die USA aus. Als Chemiker erlangte er in den Vereinigten Staaten in den 1960er Jahren weltweite Berühmtheit, nachdem es ihm gelungen war, das Sexualhormon Gestagen künstlich herzustellen und gemeinsam mit Gregory Pincus und John Rock 1951 die "Antibabypille" zu entwickeln.

Djerassi lehrte in der Folge an der Stanford University und erwarb sich als Wissenschaftler durch zahlreiche Publikationen einen entsprechenden Ruf. Seit den 1980er Jahren trat er vor allem durch sein Wirken als Schriftsteller und Kunstsammler an die Öffentlichkeit. Die literarische Vorlage zu "Vier Juden auf dem Parnass" erschien heuer im Haymon Verlag.

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Hör-Tipps
Hörspiel-Studio, jeden Dienstag, 21:01 Uhr

Die Hörspiel-Galerie, jeden Samstag, 14:00 Uhr

Buch-Tipp
Carl Djerassi, " Vier Juden auf dem Parnass. Ein Gespräch. Benjamin - Adorno - Scholem - Schönberg.", aus dem Amerikanischen von Ursula-Maria Mössner, mit Fotokunst von Gabriele Seethaler, Haymon Verlag