Dem Massaker erstmals gemeinsam gedacht
Katyn: Historisches Treffen zum 70. Jahrestag
Russland und Polen gedenken heute des Massakers von Katyn vor 70 Jahren. Die Ministerpräsidenten Putin und Tusk treffen sich heute in einem Waldstück bei Smolensk - nicht der einzige, aber der Haupttatort dieses Verbrechens. Für beide Politiker geht es dabei aber auch darum, die zwischenstaatlichen Beziehungen deutlich zu verbessern.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 07.04.2010
Russische Geschichtslüge
Bei dem Abschied von einer der schwersten und bittersten Geschichtslügen der Sowjetunion ist Russland heute daran, einen bedeutenden Schritt weiterzukommen. Es ist ein langer Weg, der von Gorbatschow und Jelzin begonnen wurde, dann einen Rückschritt erlitten hat und heute von Putin wieder aufgenommen wird.
Mehr als 24.000 Menschen ermordet
Die Erinnerung an Katyn ist eine der größten Belastungen für die Beziehungen zwischen Russland und Polen. Im Jahr 1940 wurden auf Befehl Josef Stalins 14.000 polnische Offiziere und 10.000 Intelektuelle massakriert. Unter Putin wurde die strafrechtliche Aufarbeitung des Massakers verhindert.
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Katyn: Aufarbeitung hängt an Persönlichkeiten
Alle diese Versuche Moskaus, mit dem Verbrechen von Katyn zurande zu kommen, waren teilweise durchaus dem Willen geschuldet, den historischen Fakten Tribut zu zollen. Sie folgten und folgen aber immer auch tagespolitischen Überlegungen. Gorbatschow wollte Jaruzelski helfen, Jelzin sich bei den Polen beliebt machen, Putin hingegen will die Beziehungen zur Europäischen Union verbessern und weiß, dass das ohne oder gegen Polen nichts zu machen ist.
Polnischer Premier Tusk pragmatisch
Die aktuellen Beziehungen zwischen Russland und Polen sind belastet. Warschau hat bitter und mit polemischer Schärfe auf die deutsch-russischen Pipeline-Pläne reagiert. Russland hat mit dem polnischen Fleischskandal lange Zeit die Beziehungen zur Europäischen Union belastet. Moskau hat sehr genau das intensive polnische Engagement in der Ukraine während der orangen Revolution beobachtet. Alles das soll jetzt in den Hintergrund treten. In der Ukraine hat sich das Blatt gewendet. Donald Tusk ist pragmatischer in seiner Haltung gegenüber Russland als etwa die Brüder Kaczynski. Hier möchte Putin ansetzen.
Diplomatische Winkelzüge
Dass das immer noch schwierig genug ist, zeigen die diplomatischen Winkelzüge rund um den Besuch: Heute treffen sich die Ministerpräsidenten Putin und Tusk um offiziell den siebzigsten Jahrestag zu begehen und drei Tage später wird dann der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski ebenfalls nach Katyn reisen, allerdings allein, als Privatperson ohne Einladung aus Moskau.
Russland: Stalin-Kult versus Aufarbeitung
Die Diskussion in Russland um das Massaker von Katyn geht tief, weil sie die laufende Diskussion um das Vermächtnis Josef Stalins fortsetzt und verstärkt. Auf der einen Seite ringt man sich durch, Katyn, eines der vielen scheußlichen Verbrechen, die zweifelsfrei Stalin persönlich anzulasten sind, nicht weiter zu leugnen – auf der anderen Seiten will die Stadt Moskau die Straßen der russischen Hauptstadt am Tag des Sieges, also am 9. Mai, mit riesigen Stalin-Portraits säumen.
Polnischer Film über Katyn im russischen TV gezeigt
Aber auch wenn das alles, gelinde gesagt, widersprüchlich ist: Der staatliche russische Kulturkanal etwa zeigte vergangene Woche den preisgekrönten Film des polnischen Regisseurs Andrzej Wajda "Das Massaker von Katyn". Oscar-Preisträger Wajda, dessen Vater zu den Opfern des Massenmordes zählt, hat nicht mehr daran geglaubt, dass sein Film die russischen Seher erreichen wird. Er hat sich – glücklicherweise – getäuscht. Die Resonanz war stark und die Diskussion ist noch keineswegs zu Ende.