Trickkunst-Pionier Ray Harryhausen
"Kampf der Titanen" alt und neu
"Kampf der Titanen" ist eine Neuverfilmung des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1981. Damals errichtete Trickkunstpionier Ray Harryhausen die mythologischen Monster mit seinen Händen, heute werden sie vom Computer errechnet.
8. April 2017, 21:58
In dem 125 Millionen Dollar teuren Spektakel "Kampf der Titanen" kämpft der Halbgott Perseus gegen eine von Olymp-Vater Zeus und seinem gefallenen Bruder Hades entfesselte Monstermacht. Haushohe Skorpione, dämonische Hexen und ein gewaltiges Seemonster bringen die Leinwand zum Beben und beweisen erneut, was der Kulturtheoretiker Tom Gunning in einem Aufsatz "Das Kino der Attraktionen" genannt hat: Die Wurzel der Laufbilder liegt im Vergnügungspark. Die Zuschauer erwarten sich von einem Abend im Dunkel Außergewöhnliches, Außerirdisches, Übernatürliches.
"Kampf der Titanen" ist eine Neuverfilmung des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1981. Damals errichtete Trickkunstpionier Ray Harryhausen die mythologischen Monstren mit seinen Händen, heute werden sie vom Computer errechnet. In beiden Fällen gilt: Die Geschichte und ihre Charaktere sind bloßes Beiwerk, das Hauptaugenmerk liegt auf den Kreaturen. In monate- bis jahrelanger Arbeit entworfen, beweisen die kämpfenden Titanen sowohl im alten wie im neuen Film, dass ein anspruchsloser Unterhaltungsfilm große Kunst sein kann.
Auftritt der Medusa
Zuerst das Hissen. Unruhe stellt sich ein. Die Fackeln werfen ein rötliches Licht an die Wände des unterirdischen Tempels. Die Schatten tanzen in ihrem Schein wie Gespenster. Plötzlich greift von links eine grüne, geschuppte Hand in den Bildraum; sie zieht den Körper der Medusa in den Lichtkegel - eine von den Göttern verfluchte Liebende, statt Haare züngeln Giftschlangen auf ihrem Haupt. Ihr Blick verwandelt jeden Mann zu Stein.
Der Auftritt der Medusa ist die bekannteste Sequenz aus Desmond Davis' Klassiker "Kampf der Titanen". Das mythologische Monster ist auch eines der berühmtesten Geschöpfe von Ray Harryhausen, dem Mann, der die Stop-Motion-Animation im Alleingang zur Kunstform gemacht hat. Geboren 1920 in Los Angeles, ist Harryhausen gerade einmal 13 Jahre alt, als New York City von einem Riesenaffen zerstört wird.
Stop Motion
"King Kong" wird für Ray Harryhausen zu einem Erweckungserlebnis: Tricktechniker Willis O'Brien animiert den haarigen Riesen mittels Stop-Motion. 24 Standfotografien des Affen ergeben eine Sekunde Film; für jeden Kader wird das King-Kong-Modell minimal verändert. Im Kinosaal entsteht daraus die Illusion einer fortwährenden Bewegung, das Monster erwacht zum Leben.
Und in Harryhausen entbrennt seine Leidenschaft: In den 50er und 60er Jahren wird er zur Stop-Motion-Koryphäe, erschafft Zyklopen, Drachen und tanzende Skelette.
Spektakel der Kreaturen
Anfang der 80er Jahre, als "Kampf der Titanen" in Produktion geht, ist Ray Harryhausen bereits eine Legende, sein Name hat Werbewirkung, scheint auch in den Eröffnungstiteln auf.
Seine Filme produziert Harryhausen oft selbst: Er will sicher gehen, dass seine Kreaturen den nötigen Platz bekommen. "Kampf der Titanen" wird zur Bühne für den Titanen Harryhausen - ein Film, organisiert um das Spektakel herum. Weltstars wie Laurence Olivier und Maggie Smith spielen hier nur Nebenrollen.
Digitale Konkurrenz
"Kampf der Titanen" ist Ray Harryhausens letzter großer Film: 1981, als er in die Kinos kommt, wirken seine grandiosen Effekte bereits leicht antiquiert. Die Konkurrenz von "Indiana Jones" bis "Star Wars" verzichtet auf Stop-Motion-Animationen. Am Horizont dämmern schon die digitalen Effekte, die spätestens mit Anfang der 90er Jahre die Herrschaft über Hollywoods Fantasiewelten beanspruchen.
In Louis Leterriers neuem "Kampf der Titanen" taucht eines von Harryhausens Geschöpfen, die mechanische Eule Bubo, für wenige Sekunden auf - ein Gastauftritt des Analogen im digitalen Gewitter.
Kulturpessimismus oder Nostalgie sind dennoch fehl am Platz. Die Konzeptkünstler, Computer-Designer und Animatoren der Gegenwart führen das Harryhausen-Projekt weiter, für viele ist er ein Idol. Sie sind mit seinen Zyklopen aufgewachsen, wie Harryhausen mit King Kong, haben an den handgebauten Kreaturen Bewegungsabläufe und Größenverhältnisse studiert, haben beobachtet, wie der Stop-Motion-Meister arbeitet. Sein Einfluss ist im digitalen "Kampf der Titanen" deutlich zu spüren.
Am Anfang steht der Bleistift
Dem Digitalen haftet, nicht nur in der Filmindustrie, immer noch eine Wertlosigkeit an. Kommentatoren stimmen Lamentos auf die gute, alte Zeit des Analogen an, wischen Computereffekte als charmelose Maschinenprodukte vom Tisch. Am neuen "Kampf der Titanen" hat eine Hundertschaft von Kreativarbeitern gewerkelt, insgesamt zehn verschiedene Effekthäuser mit jeweils verschiedenen Spezialgebieten erwecken die mythologischen Welten zum Leben.
Eine Schlüsselfigur darin nimmt Aaron Sims ein: Auf dem Papier ist einer von unzähligen Designern von Digitaleffekten, ein Gesichtsloser. Eigentlich aber macht er dasselbe wie Harryhausen dreißig Jahre zuvor: Er entwirft mit seinem Mitarbeiter-Stab fantastische Kreaturen, fertigt detaillierte Zeichnungen von ihnen an. Das, was später im Computer errechnet wird, beginnt immer noch in der analogen Welt: mit Stiften, einem Blatt Papier und viel Vorstellungskraft.
Kino als Attraktion
Der alte wie der neue "Kampf der Titanen" sind Schaubühnen für die Effektkünstler: Egal ob Ray Harryhausen seine Monster per Hand modelliert oder ob die Entwürfe von Aaron Sims im Computer berechnet werden. In beiden Fällen geht es um das Kino als Attraktion: und einem Millionenpublikum die Anwesenheit eines gigantischen Seemonsters glaubhaft zu vermitteln, das ist die vielleicht größte Kunst, zu der das Kino der Gegenwart in der Lage ist.