Republik Moldau: Ein Staat in der Sackgasse

Besuch im ärmsten Land Europas

Das ärmste Land Europas ist mit Abstand die Republik Moldau. Fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung besteht aus Geldern, die Gastarbeiter nach Hause schicken. Seit den blutigen Unruhen vor einem Jahr steckt das Land außerdem in einer Verfassungskrise. Außenminister Spindelegger hat einen Besuch in Moldau absolviert.

Mittagsjournal, 09.04.2010

Keine Jobs, keine Perspektiven

Wenn die Kinder in der moldawischen Kleinstadt Cioresti nach dem Kindergarten nach Hause gehen, warten auf viele von ihnen nicht Mama oder Papa, sondern die Großeltern, die Nachbarn oder überhaupt niemand. Bei mehr als einem Drittel der Kinder ist einer der Elternteile oder sogar beide im Ausland, um Geld zu verdienen. Denn in Cioresti, einer Kleinstadt mit 3.500 Einwohnern gibt es nichts: keine Arbeitsplätze, keine Infrastruktur, keine Kanalisation, keine Perspektiven.

Den Kindern fehlen die Eltern

Die Direktorin der Schule, Svetlana Ksmaru, sagt: "Die Migration hat zwei Seiten: die finanzielle und die geistige. Finanziell ist die Situation der Kinder natürlich besser, aber geistig fehlt den Kindern sehr viel, ihnen fehlen die Eltern. Im Unterricht merken wir das, die Kindern brauchen deutlich mehr Aufmerksamkeit."

Hygienische Probleme

Erst seit einem Jahr ist die Schule in Cioresti an das neue Wassersystem angeschlossen, das mit Hilfe der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gebaut wurde. Davor gab es im Dorf kein sauberes Wasser, so wie in 70 Prozent der anderen Dörfer in Moldawien – ein großes hygienisches und gesundheitliches Problem. Die Folge: Am Land wohnen nur mehr die Alten und die ganz jungen.

Fast jeder zweite ist Gastarbeiter

Wer arbeiten kann geht ins Ausland, sagt Martin Wyss, der die Mission der Internationale Organisation für Migration in Moldawien leitet: Er schätzt, dass es 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung sind. Aber für das agrarorientierte Moldau gebe es kaum Alternativen, die Verdienstmöglichkeiten, etwa durch den Export, seien beschränkt.

Vom Gastarbeiter zum illegalen Zuwanderer

Russland und Italien sind die wichtigsten Ziele für Arbeitsmigranten aus Moldawien. Der Großteil der Migration in die Europäische Union passiert illegal. Daher können die Gastarbeiter ihr Familien nicht regelmäßig besuchen, die Bindungen nach Hause reißen ab, aus Gastarbeitern werden illegale Einwanderer – ein Fehler der Migrationspolitik der EU, sagt Martin Wyss. Viele Kinder in Cioresti haben ihre Eltern seit zwei, drei oder mehr Jahren nicht mehr gesehen.

Geschäft mit der Politik

Der Politikwissenschafter Igor Botin sieht vorerst keinen Weg aus der politischen Sackgasse: "In Moldawien wie in anderen Ländern Osteuropas ist das beste Geschäft die Politik. Die Politiker an der Macht schützen durch mafiöse Methoden ihr Business und das Business ihrer Familien. Das ist das wichtigste Element der Politik, denn wenn wir uns die Parteien anschauen – egal ob liberal, christdemokratisch oder etwas anderes – dann sehen wir dass ihre Politik weit von der Ideologie entfernt ist."

Konflikt mit Russland

Erschwert wird die Situation noch durch den Konflikt mit Transnistrien – einem Streifen im Osten des Landes, in dem etwa 10 Prozent der Moldauer leben und der sich vor 20 Jahren für unabhängig erklärt hat. Überleben kann das abgespaltene Transnistrien nur durch materielle Unterstützung aus Russland.

Hoffnung EU

Igor Botin wünscht sich, dass die EU sich stärker in Moldawien engagiert, denn allein könne das Land nicht mit seinen Problemen fertig werden. Auch vor neuen Arbeitsmigranten aus Moldawien muss sich die Länder der EU nicht fürchten, denn die Bevölkerung des Landes schrumpft dramatisch. Als die Sowjetunion zerfiel, besuchten 1.200 Kinder die Schule in Cioresti. Heute sind es nicht einmal mehr 400 Kinder.