Häftlinge sollen wählen dürfen
Wahlrecht wird wohl geändert
In Österreich steht möglicherweise eine Änderung des Wahlrechts bevor. Häftlinge mit längeren Freiheitsstrafen sin derzeit vom Wahlrecht ausgeschlossen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das für unzulässig erklärt. SPÖ, FPÖ und Grüne sind für eine entsprechende Gesetzesänderung, Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) wartet ab, das BZÖ ist dagegen.
23. November 2023, 15:32
Mittagsjournal, 09.04.2010
Justizministerium verweist auf Innenministerium
Aus dem Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner heißt es, man werde sich das Urteil des Menschenrechtsgerichts genau ansehen. Eine eventuelle Änderung der Nationalratswahlordnung sei allerdings Sache des Innenministeriums.
"Derzeit kein Handlungsbedarf"
Innenministerin Fekter sagt: "Wir werden uns das im Detail ansehen, ob wir unser Wahlrecht ändern müssen. Man wird schauen müssen, wie die Begründung lautet, derzeit sehe ich aber keinen Handlungsbedarf, bevor wir das nicht analysiert haben."
Straßburger Urteil
Gefangenen mit einer Haftstrafe von über einem Jahr ist in Österreich das Wahlrecht entzogen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hält diese grundsätzlich Regelung für unzulässig. Vielmehr müsse der Wahlausschluss auch bei Strafgefangenen eine Ausnahme sein, etwa weil ein Zusammenhang bestehe zwischen der verurteilten Tat und dem Schutz der Demokratie.
SPÖ will Änderung noch vor dem Sommer
Seitens des Koalitionspartners SPÖ ist man für eine Änderung der Nationalratswahlordnung. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sagt, jede Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sei relevant und zu berücksichtigen. "Selbstverständlich" müsse man sich die Nationalratswahlordnung anschauen und eine "differenziertere" Regelung verfassen. Jarolim will dabei "eher zügig" vorgehen und es noch vor dem Sommer umsetzen.
FPÖ: "In geeigneter Form herrichten"
Auch der Justizsprecher der Freiheitlichen, Peter Fichtenbauer hält eine Anpassung der Nationalratswahlordnung für möglich. Im Kern müsse aber erhalten bleiben, dass nach schweren Straftaten das Wahlrecht entzogen wird: "Das wird man in geeigneter Form so herrichten, dass es nicht zu einem Verstoß nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kommen wird."
Grüne: Wahlrecht grundsätzlich für alle
Die Grünen wiederum wollen, dass der Wahlausschluss Strafgefangener grundsätzlich fällt. Albert Steinhauser, der Justizsprecher der Grünen, sagt, die Grünen hätten immer ein grundsätzliches Wahlrecht ohne Einschränkungen gefordert, so wie es auch in Deutschland der Fall sei. "Es gibt im Herbst Landtagswahlen, daher ist es klar, dass es spätestens bis Jahresmitte umgesetzt sein muss."
BZÖ gegen Änderung
Einzig das BZÖ ist in jedem Fall gegen eine Änderung der Nationalratswahlordnung zugunsten von Strafgefangenen. Justiz- und Verfassungssprecher Ewald Stadler sagt: "Die Sache ist klar, in dem Moment, in dem eine bestimmte Verurteilung vorhanden ist und ein bestimmtes Strafmaß festgesetzt wurde, war immer ein Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte damit verbunden. Und ich sehe überhaupt keinen Anlass, das zu ändern." Die Entscheidung des Menschenrechtsgerichts sei überspitzt, sagt Stadler, der Verlust bürgerlicher Rechte ab einer bestimmten Verurteilung sei "gute Tradition" in Österreich und solle bestehen bleiben.