"Krieg und Frieden" als öffentliche Probe
Packender Abend im Burgtheater-Kasino
Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann arbeitet seit Monaten an einer Realisierung von Tolstois "Krieg und Frieden". Einen Premierentermin gibt es bis heute nicht, aber Hartmann lud am Donnerstag, 15. April zu einer ersten öffentlichen Probe ins Burgtheater-Kasino am Schwarzenbergplatz.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 15.04.2010
Was man da fünf Stunden lang zu sehen bekam, war ein packender Theaterabend, eine wahre Ensemblearbeit, die vom Publikum um Mitternacht mit großem Applaus bedacht wurde.
DJ und Videoprojektionen
Das von Bühnenbildner Johannes Schütz umgebaute ehemalige Offizierskasino am Schwarzenbergplatz ist der ideale Raum für Tolstois Geschichte vom "Krieg und vom Frieden". Ein unendlich lang scheinender Tisch zieht sich durch den Raum. Dahinter agieren ein DJ mit seiner Anlage, ein Pianist und zwei Kamera - und Videoexperten, die das Geschehen sparsam, aber geschickt akzentuieren und mit ihren Mitteln Ballsäle und Schlachtenszenen erstehen lassen.
Im Mittelpunkt stehen aber die zwölf Darstellerinnen und Darsteller des Burgtheaters, unter ihnen Udo Samel,bSabine Haupt, die junge Yohanna Schwertfeger als Natascha, Ignaz Kirchner, Peter Knaack und Fabian Krüger. Sie alle spielen verschiedene Rollen und erzeugen lautmalerisch durch ihre Stimmen oder das Niederwerfen von Stühlen das große Schlachtengemälde. Aber auch die philosophischen Gespräche kommen nicht zu kurz und selbst Tolstoi mit langem Bart und Bauernmütze hat durch Ignaz Kirchner seinen Part.
Frische und Unschuld des Spiels
Zwei Pausen hat der Abend und die ersten beiden Teile scheinen im Rhythmus und der Musikalität des Spiels schon ziemlich fertig. Nur im dritten Teil mangelt es manchmal noch an beidem und sind Textunsicherheiten zu verspüren, was aber durch eine Frische und Unschuld des Spiels bei weitem wettgemacht wird.
Die Liebesgeschichte zwischen Natascha und dem Fürsten Andrej darf im dritten Teil auch gerne an der feinen Grenze zum Kitsch entlang schrammen. Die Schlusskapitel des Romans werden vom Ensemble dann nur mehr im Sinne von "Was weiter geschah" angerissen. Denn für Regisseur Matthias Hartmann handelt es sich dabei immer noch um eine "Baustelle", wie er zu Beginn den Theaterabend ankündigte.
Schilderung einer dekadenten Zeit
Neben der fast unleistbar scheinenden Bewältigung von Tolstois riesigem Gesellschaftsfresko und dem inszenatorischen Handwerk, das dieses verlangt, interessiert Hartmann die Frage des großen Zusammenhangs und die Schilderung einer dekadenten Zeit, die wie die unsere ist, in der man nicht weiß, was dann kommen wird.
Als das Publikum gerade ansetzte, das ganze Team und Hartmann frenetisch zu feiern, wurde es von diesem am Ende des Theaterabends um Mitternacht unsanft gestoppt. Denn schließlich handele es sich doch nur um eine Probe und man müsse vielleicht die letzte Straßenbahn erreichen. Auch wahr!
Service
Leo Tolstoi, "Krieg und Frieden", Kasino am Schwarzenbergplatz, weitere Vorstellungen: Samstag, 17. April, Montag, 19. April, Dienstag, 18. Mai, Freitag, 21. Mai 2010,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
Burgtheater