Nordeuropa in Aschenwolke
Vulkanasche legt Flugverkehr lahm
Die Vulkan-Asche aus Island stürzt den Flugverkehr in Europa ins Chaos. Betroffen sind die größten Drehscheiben: London, Paris, Brüssel und Amsterdam. Hunderttausende Passagiere haben gestern vergeblich auf ihren Abflug gewartet. Auch heute ist mit schweren Behinderungen zu rechnen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 16.4.2010
Wolke Richtung Frankfurt
Nach einem Vulkanausbruch auf Island hat eine riesige Aschewolke große Teile des Flugverkehrs in Europa lahmgelegt. Hunderttausende Passagiere warteten am Donnerstag vergeblich auf ihren Abflug. Die gefährliche Aschewolke vom Vulkan Eyjafjalla breitete sich immer weitere Richtung Osten und Südosten aus und hat am Freitagvormittag auch zur Sperre des größten deutschen Flughafens Frankfurt/Main geführt. Die Sperre des britischen Flugraums wurde indes bis Freitagabend verlängert. Der österreichische Luftraum dürfte laut Austro Control von der Aschewolke verschont bleiben.
Chaos seit gestern
Schon am Donnerstag mussten die Fluggesellschaften 7.000 Verbindungen absagen, teilte die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel mit. Für Freitag war kaum Entspannung in Sicht. Nachdem acht Staaten (Großbritannien, Irland, Belgien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland) ihren Luftraum komplett geschlossen hatten, kam es in der Nacht auf Freitag in immer mehr mitteleuropäischen Flughäfen zu sperren. Betroffen waren 24 Flughäfen in Frankreich, darunter die beiden Pariser Großflughäfen sowie die deutschen Flughäfen Hamburg, Bremen, Hannover und Düsseldorf. Auch in Nordwestpolen wurde der Luftraum wegen der Aschewolke gesperrt.
Auch Frankfurt geschlossen
Der Flugbetrieb in Frankfurt/Main wurde schon in der Nacht stark eingeschränkt. Maschinen mit Zielflughafen Frankfurt durften auf Eurocontrol-Anweisung nur noch bis 06.00 Uhr Früh abheben, erklärte ein Flughafensprecher. Am Vormittag wurde wegen des Eintreffens der Aschewolke dann der gesamte Flugbetrieb eingestellt.
Heathrow schloss als erster
Am Donnerstag war unter anderem das wichtigste Drehkreuz in Europa, der Londoner Flughafen Heathrow mit 1.300 Flügen und 180.000 Passagieren täglich, gesperrt. Die ursprünglich schon für Freitag in der Früh geplante Lockerung der Flugverbote in Großbritannien wurde auf 19.00 Uhr MESZ verschoben. Schon am späten Donnerstagabend freigegeben wurden dagegen die beiden westirischen Flughäfen Shannon und Cork.
Auch österreichische Flüge betroffen
Bei der Austrian Group waren am Donnerstag 23 von 400 Flügen von Ausfällen betroffen. Am Freitagvormittag können fünf Flüge nicht stattfinden. Betroffen seien Verbindungen nach Kopenhagen, Stockholm, Amsterdam, Brüssel, Oslo, Göteborg und London, sagte eine AUA-Sprecherin.
Nördlich von Paris bis Prag
Austro-Control-Sprecher Markus Pohanka sagte in der ZiB24, dass die Aschewolke nach jetzigem Stand nördlich einer Linie "von Paris bis Prag" bleiben wird. Diese Prognose gelte bis Freitag 14.00 Uhr, doch könne sich "binnen kurzer Zeit" alles ändern. Wandere die Aschewolke weiter nach Süden, könne es auch zu einer Sperre des österreichischen Luftraums kommen, so Pohanka.
Lauda: Wie Hagel
Vulkanasche kann für Flugzeuge sehr gefährlich werden. "Das ist wie Hagel - auf eine andere Art", sagte Airline-Chef Niki Lauda. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas nannte die Aschewolke "eine große Bedrohung für die Sicherheit der Luftfahrt." Bei zwei Vorfällen in den 1980er Jahren gerieten Maschinen des Typs Boeing 747 in solche Wolken. Alle vier Triebwerke fielen aus, die Flugzeuge gingen in einen Segelflug über. Erst nach Verlassen der Wolke konnten die Antriebe wieder gestartet werden. In Wolken aus Vulkanasche ist nur wenig Sauerstoff vorhanden, was zu Verbrennungsstörungen in den Triebwerken führt.
Mit 35 Km/h unterwegs
Nach dem Ausbruch erreichte die Aschewolke über Island eine Höhe von elf Kilometern und bewegte sich mit rund 35 Kilometern pro Stunde in südöstliche Richtung. Experten zufolge sind die Winde entscheidend. "Falls der Ausbruch weitergeht und Asche aufgewirbelt wird, könnten wir im nächsten halben Jahr immer wieder Unterbrechungen des Flugverkehrs haben", sagte Bill McGuire vom Londoner Gefahrenforschungszentrum.
Ö1 Kollege Johann Kneihs ist für ein halbes Jahr in Island. Er schildert seine Eindrücke
Island von Asche bedeckt
Tausende Hektar Land in Island waren von einer dicken Ascheschicht bedeckt, die Wolke verdunkelte den Himmel über dem Südosten der Insel. Experten zufolge nahm die Intensität des Ausbruchs noch zu. Die schottischen Behörden warnten die Bevölkerung vor einer Gesundheitsgefährdung durch die Aschewolke. "Menschen, die im Freien sind und Symptome wie brennende Augen, eine laufende Nase oder trockenen Husten spüren sollten in ihre Häuser zurückkehren", empfahl das schottische Gesundheitsamt am Donnerstagabend.
Austro Control
Flughafen Wien
Experte: Möglicher kühlender Effekt auf Weltklima haben
Die gigantische Vulkaneruption auf Island wirkt sich nicht nur auf den Luftverkehr aus, sondern möglicherweise auch auf das Weltklima. Wie der Wiener Klimatologe Herbert Formayer im Ö1-Morgenjournal sagte, könnten die in die Stratosphäre gelangten Staubpartikel mehrere Jahre lang "einen kühlenden Effekt" auf das Klima haben, weil sie die Sonneneinstrahlung reduzieren.
Die Stratosphäre ist die zweite Schicht der Atmosphäre und beginnt rund 12 Kilometer über der Erdoberfläche. In dieser Höhe spielt sich der zivile Luftverkehr ab, der durch die Aschewolke stark beeinträchtigt ist. Da es in der Stratosphäre keinen Regen gebe, können die vom Vulkan dorthin geschleuderten Staubpartikel auch nicht durch Niederschlag ausgewaschen werden, erklärte der an der Wiener Universität für Bodenkultur forschende Experte. "In der Stratosphäre können Staubpartikel ein, zwei, drei Jahre bleiben. So lange reduzieren sie die Sonneneinstrahlung und haben einen kühlenden Effekt", so Formayer.
Morgenjournal, 16.4.2010
Der Wiener Klimatologe Herbert Formayer im Gespräch mit