Harter Wahlkampf bei den Briten

Der Aufstieg des Nick Clegg

Großbritannien steckt in einem harten Wahlkampf, zwei Wochen vor der Unterhaus-Wahl sorgt der ungewöhnliche Aufstieg des Liberaldemokraten Nick Clegg für Schlagzeilen.

Der oft unterschätzte Chef der Liberaldemokraten ist in den Umfragen vom dritten auf den zweiten Platz knapp hinter Favorit David Cameron von den Konservativen gestiegen und lässt Labour Premier Gordon Brown noch älter aussehen.

Mittagsjournal, 20.4.2010

"Cleggmania" durch TV-Debatte

Eine Umfrage sieht Clegg mittlerweile sogar an erster Stelle. Die plötzliche Beliebtheit des 43jährigen Liberalen lässt sich unter anderem durch seinen starken Auftritt bei der ersten TV-Debatte der Spitzenkandidaten letzte Woche erklären. Im konservativen Lager und bei Labour wird hektisch an einer neuen Strategie gearbeitet, Clegg zu stoppen. Denn wenn die Umfragen am Wahltag recht behalten, steht Großbritannien vor der größten Veränderung seiner politischen Landschaft aller Zeiten.

Nick Clegg ist nicht nur der Mann der TV-Debattenstunde, seit vergangener Woche halten die Liberaldemokraten ihre neu dazugewonnene Stärke in den Umfragen und es ist kein Ende der „Cleggmania“ – so nennen die Briten den Hype um den 43jährigen – absehbar. Der Liberale schwört seine Anhänger auf einen Wechsel im politischen System ein, immer mehr Menschen glaubten daran, dass die Liberaldemokraten etwas Neues beginnen könnten.

Konservative und Labour entwickeln Gegenstrategien

Die Konservativen und David Cameron sind sichtlich nervös, der Parteichef hatte in letzter Sekunde die geplante Wahlwerbung der Konservativen im Fernsehen gestrichen, sie war als Attacke gegen Labour gedacht, und einen neuen Spot in seinem Garten aufgenommen, Nick Clegg und die Liberaldemokraten erwähnt er zwar mit keinem Wort, warnt aber vor einem unklaren Wahlergebnis.

Auch im Labour Lager schießt man sich auf die Liberaldemokraten ein, ein Abgeordneter hat im Internet eine Liste von ehemaligen Häftlingen veröffentlicht und behauptet die Liberaldemokraten würden verurteilten Mördern und Pädophilen das Wahlrecht zurückgeben. Premierminister Gordon Brown gibt unterdessen zu, dass sein Auftritt bei der Fernsehdebatte besser hätte laufen können: „Ich versuche nicht der König der Präsentation zu sein, der Wahlkampf muss Stil haben aber das Regieren braucht Substanz. Das hier ist aber kein Talentwettbewerb, das weiß die Öffentlichkeit auch, es geht darum welche Politik das Land für die Zukunft braucht.“

Sogar Chancen auf Platz Eins

Insgesamt tut Labour so, als ob der Aufstieg des Nick Clegg kein großes Problem für die Partei ist, mit dieser Taktik liegt sie richtig, sagt Meinungsforscher Peter Kellner von YouGov, sein Institut sieht die Liberaldemokraten sogar an erster Stelle mit über 30%: „Die schlechte Nachricht ist, Labour ist seit letzter Woche in unseren Umfragen konstant an dritter Stelle, andererseits sind die politischen Aussichten ganz gut, die Liberaldemokraten schaden den Konservativen mehr, nach der Wahl wäre Labour zwar ohne Mehrheit aber die stärkste Partei und könnte zusammen mit den Liberaldemokraten eine Koalition bilden.“

Briten politikverdrossen

Politischer Analyst der Times Daniel Finkelstein erklärt die plötzliche Popularität eines Nick Clegg mit der Politikverdrossenheit der Briten nach dem Spesenskandal im vergangenen Jahr, der Liberaldemokrat sei jung, frisch und unverbraucht: „Die Leute wollen keinen Gordon Brown, es ist Zeit für einen Wechsel aber sie trauen den Konservativen nicht. Die Liberaldemokraten dürfen jetzt nicht triumphierend wirken, das wäre eine falsche Strategie, Nick Clegg hat in den Umfragen aufgeholt weil er sich nicht als traditioneller Politiker in der Debatte präsentiert hat und dabei muss er bleiben und versuchen diese Werte so gut es geht bis zur Wahl zu halten.“

Nick Clegg hat das ganze Land und seine eigene Partei überrascht, die Wahlurnen werden aber erst in zwei Wochen gefüllt. Die Liberaldemokraten werden noch viel Kondition brauchen, um die Führung in diesem Match zu halten.