Neue Ensemblemitglieder und Schwerpunkte

Die Pläne des Volkstheaters

Im Wiener Volkstheater hat Michael Schottenberg heute Vormittag sein Programm für die Saison 2010/11 vorgestellt. Schottenberg hat dabei Bilanz über die ersten fünf Jahre seiner Direktionszeit gezogen.

Mittagsjournal, 21.04.2010

Eine Deutschsprachige Erstaufführung von Tennessee Williams ("Baby Doll"), Österreichische Erstaufführungen von Simon Stephens ("Punk Rock") und Moises Kaufman ("33 Variationen"), Stücke von Gerhart Hauptmann, Bertolt Brecht, Ferdinand Raimund und Ron Hutchinson, dazu "Harold und Maude" und die "Antigone" des Sophokles - das bietet das Wiener Volkstheater in der Spielzeit 2010/11 auf seiner großen Bühne.

Bei der Spielplan-Pressekonferenz am Mittwoch, 21. April 2010 blickte Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg aber auch auf seine ersten fünf Saisonen zurück ("Wir haben 105 Eigenproduktionen gemacht, das entspricht alle 14 Tage etwas Neues.") und bot einen Ausblick auf die kommenden fünf Jahre. Sein Vertrag läuft bis 2015.

Schwerpunkte Migration, Jugend und Kunst

"Volkstheater muss alles können: Es muss Visionen und Werte vermitteln, Korrektiv und Gewissen sein, es darf keinen Unterschied machen zwischen U und E", sagte Schottenberg, der in der laufenden Saison bisher eine Auslastung von 80 Prozent verzeichnet, "Theater kann zur Entwicklung eines liberalen Klimas beitragen." Als ein "Kommunikationszentrum, in dem sich die Themen der Stadt spiegeln", sieht er das Volkstheater und möchte sich in den nächsten fünf Jahren den Schwerpunkten Migration, Jugend und Kunst widmen.

Ensemble-Neuzugänge

Das Motto der Spielzeit 2010/11 heißt "Abhängigkeit versus Autonomie". Beteiligt an der Sicht von "Theater als Probebühne der Wirklichkeit und als Übungsraum für Überlebenskunst" (Schottenberg) sind neue Regisseure wie Niels-Peter Rudolph, Ingo Berk oder Schirin Khodadadian und Ensemble-Neuzugänge: Andrea Wenzl, Dominik Warta und Martina Stilp wechseln aus Graz nach Wien, Letztere zunächst nur als Gast.

Saisoneröffnung mit "Baby Doll"

Mit "Baby Doll", einem Südstaatenstück über Rassismus nach einem Drehbuch für Elia Kazan, wird am 10. September die Saison eröffnet. Dem Berliner Tonfall von Gerhart Hauptmanns "Die Ratten" habe Dimitre Dinev in einer Bearbeitung "einen eigenen Sprachklang entgegengesetzt", sagte Chefdramaturgin Susanne Abbrederis.

Marcello de Nardo wird in der Regie von Thomas Schulte-Michels Brechts Puntila spielen, Günter Franzmeier seinen Knecht Matti. Bei Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" (Premiere: 17. Dezember) setzt Hausherr und Regisseur Schottenberg wieder auf das Duo Andreas Vitasek und Thomas Kamper, das sich zuletzt in Nestroys "Umsonst" bewährt hat.

Stück über Diabelli-Variationen

Elfriede Irrall und Claudius von Stolzmann sind "Harold und Maude" (Regie: Thomas Birkmeir), Andrea Wenzl ist "Antigone" (Regie: Stephan Müller). Stephanie Mohr inszeniert ein gerade am Broadway erfolgreiches Stück von Moises Kaufman über Beethovens Diabelli-Variationen.

In "Punk Rock", dem aktuellsten Stück von Simon Stephens, geht es um Teenager-Amokläufe, in "Mondlicht und Magnolien" von Ron Hutchinson um die abenteuerlichen Dreharbeiten für den Klassiker "Vom Winde verweht" (Regie: Vicki Schubert).

Erni Mangold spielt Sarah Bernhardt

In den Bezirken werde auch 2010/11 "eine Mischung aus Neuem und Bewährtem" geboten, kündigte Doris Weiner an. Begonnen wird mit Nestroy-Einaktern, ein Saison-Höhepunkt dürften die "Memoiren der Sarah Bernhardt" von John Murrell werden (Premiere: 23. März 2011): Erni Mangold spielt Sarah Bernhardt, Erich Schleyer ihren gedemütigten Sekretär.

Im Schwarzen Salon sind zwei Uraufführungen ("Spargel" von Gianina Carbunariu und "Intercity" von Anica Tomic/Jelena Kovacic) sowie die Österreichische Erstaufführung von Björn Bickers "Illegal" angekündigt.

"Voller als voll kann man da nicht sein", sagt Schottenberg über das Theater in den Bezirken. "Immerhin kostet der billigste Platz 4,50 Euro. Das ist extrem wenig. Da dumpen wir uns selbst. Aber wir wollen diese Initiative nicht aufgeben, weil wir glauben, dass wir ein sozial ausgerichtetes Theater sind."

Michael Schottenberg ist an vielem interessiert und für alles offen. Und immer noch mehr Vollbluttheatermensch als kühl kalkulierender Direktor. Zu wünschen bleibt ihm, dass sich das Publikum in dem Überangebot der zahlreichen Nebenspielstätten, wie Hundsturm, Bellaria-Kino, Schwarzer Salon und Rote Bar zurechtfindet – und die Qualität der einzelnen Produktionen mit der Quantität mithalten kann.

Text: APA, Red., Audio: ORF

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