Fritz Plasser im Journal zu Gast

Wahlkampf ging an Wählern vorbei

Am Sonntag sind 6,3 Millionen Österreicher/innen zur Bundespräsidentschafts-Wahl aufgerufen. Die Wahlslogans der drei Kandidat/innen kreisen vor allem um den Begriff der Werte. Der Politologe Fritz Plasser sieht im Ö1 Interview wenig Zusammenhang zwischen den Wahlkampf-Reden und der gesellschaftlichen Realität in Österreich.

Amt dringend reformieren

Im vergangenen Bundespräsidentenwahlkampf ist es viel um Werte gegangen. Die Botschaften der Kandidaten sind aber bei den Bürgern nicht angekommen, meint Politologe und Wahlexperte Fritz Plasser. Es wurde verabsäumt, sich über relevante Themen zu unterhalten, wie vor allem über die Reform des Bundespräsidentenamtes an sich. Festgelegt wurden die Befugnisse und Rechte 1929 in einer Bundesverfassungsnovelle, es sei dringend an der Zeit, das Amt an das 21. Jahrhundert anzupassen, so Plasser im Ö1 Mittagsjournal zu Gast.

Mittagsjournal, 24.4.2010

Kein Frühstücksdirektor

Der Bundespräsident ist nach Auffassung Plassers keineswegs ein Frühstücksdirektor, wie so viele pointierte Kommentatoren bemängeln. Nur die Rolle des Präsidenten müsste neu definiert werden. Das Amtsverständnis und das Rollenbewusstsein sollten sich grundlegend ändern. Er sollte sich öfter an die Öffentlichkeit direkt wenden und Themen vorgeben.

Themenverfehlung

Bezogen auf den abgelaufenen Wahlkampf meinte Plasser, mit einer Gegenüberstellung Linke gegen Bürger hätten die Wahlkämpfer eine verzerrte Realität präsentiert, die keineswegs auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eingegangen sei. Plasser sagt, es würde ihn nicht überraschen, wenn am Sonntag zwei Drittel der ÖVP-Wähler den amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer wählen.

Kein Gegner für Fischer

Fischer selbst habe keinen wirklichen Gegner im Wahlkampf gehabt. Damit habe er die letzten Wochen wesentlich lockerer wirken können und sei auch positiv aufgenommen worden.

FPÖ-Wahlkampf entglitten

Der Wahlkampf von Barbara Rosenkranz sei den FPÖ-Strategen wohl entglitten, meint Plasser. Mit ihren Aussagen zum Nationalsozialismus und ihrem auf Druck getätigten Notariatsakt sei sie schon am Beginn ihrer Kandidatur gescheitert.

Mehr als fünf Prozent für Gehring

Für den dritten Kandidaten Rudolf Gehring rechnet Plasser mit mehr als nur ein paar Prozentpunkten, vielleicht sogar mit fünf bis sieben. Denn seine Themen seien nicht nur im traditionell katholischen Bereich anzusiedeln. Mit seinen fragwürdigen und skurrilen Ideen Er sei durchaus auch ein Kandidat für Protestventile, meint Plasser.

Mittagsjournal, 24.4.2010

Zahlen, Daten, Fakten

Einige Neuerungen

Am Sonntag wählt Österreich, wer in den nächsten sechs Jahren das Amt des Bundespräsidenten ausüben wird. Drei Kandidaten stellen sich der Wahl, auf den Stimmzetteln sind sie alphabetisch gereiht: Heinz Fischer, der amtierende Bundespräsident, wird vor allem von SPÖ und Grünen unterstützt. Weiters treten an: Rudolf Gehring von der Christliche Partei und Barbara Rosenkranz von den Freiheitlichen.

Bei dieser Wahl gibt es im Vergleich zur letzten im Jahr 2004 einige Neuerungen.

Senkung des Wahlalters

Insgesamt sind am Sonntag 6.355.620 Österreicherinnen und Österreicher wahlberechtigt. Das sind rund 320.000 mehr als bei der letzten Präsidentschaftswahl. Das liegt vor allem an der Wahlrechtsreform: erstmals können nun auch sechzehn- und siebzehnjährige mitentscheiden.

Neu ist für Präsidentschaftswahlen auch die Möglichkeit der Briefwahl per Post im In- und Ausland. Das Porto fürs Schicken an die Wahlbehörde zahlt der Staat. Wer die nötige Wahlkarte hat, kann sein Stimme bereits jetzt abgeben - das muss persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst geschehen und vor dem Wahlschluss morgen um 17.00. Auf dem Rücksende-Kuvert wird hierfür eine eidesstattliche Erklärung unterschrieben, bis 30. April muss die Wahlkarte bei der Wahlbehörde eingetroffen sein. Erst nach Auszählung dieser Stimmen wird ein amtliches Endergebnis vorliegen.

Keine Wahlpflicht mehr

Und: erstmals gibt es in allen Bundesländern keine Wahlpflicht mehr. Tirol hat sie als letztes Bundesland abgeschafft. Die Wahlbeteiligung lag 2004 bei 71,6 Prozent, die Zahl der ungültig abgegeben Stimmen lag damals bei 4 Prozent.

Um Bundespräsident zu werden, muss ein Kandidat mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreichen. Gelingt das nicht im ersten Wahlgang, findet drei Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen statt.

Die Funktionsperiode des neuen Bundespräsidenten dauert sechs Jahre und wird am 8.Juli beginnen. Für diesen Tag hat das Parlament bereist die Angelobung durch die Bundesversammlung festgelegt.

Weniger Wahlkarten

Seit heute liegt auch die Zahl der ausgegeben Wahlkarten vor: Trotz der für eine Bundespräsidentenwahl neuen Briefwahl ist das Interesse an Wahlkarten für den morgigen Urnengang gering. Nur 376.197 Personen (5,92 Prozent der Wahlberechtigten) beantragten laut Innenministerium eine Wahlkarte. Das sind zwar etwas mehr als bei der Bundespräsidentenwahl 2004, als 340.977 Wahlkarten (5,65 Prozent) ausgestellt wurden, aber deutlich weniger als bei der Nationalratswahl 2008 mit 586.451 Anträgen (9,27 Prozent).