Rechtsextreme im Parlament
Zweidrittel-Mehrheit für Konservative
In Ungarn hat der gestrige zweite Wahlgang den Rechtsruck verstärkt. Die konservativen Fidesz-Partei unter dem frühere Ministerpräsidenten Victor Orban erreicht die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Die Sozialisten wurden nach acht Jahren im Amt abgewählt. Erstmals im ungarischen Parlament ist die rechtsextreme Jobbik-Partei.
8. April 2017, 21:58
263 Abgeordnete für Fidesz
Die rechtskonservative Partei Fidesz-MPSZ, bisher größte Oppositionskraft, gewann laut offiziellen Ergebnissen am Sonntag insgesamt 263 von 386 Sitzen, um fünf mehr als für eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. In der zweiten Wahlrunde waren die Mandate in jenen Einzelwahlkreisen entschieden worden, wo in der ersten Runde am 11. April kein Kandidat die absolute Mehrheit erhalten hatte.
59 Mandate für Sozialisten
Insgesamt gingen nur drei der 176 Einzelwahlkreise im Land nicht an Fidesz. Lediglich im 13. Budapester Bezirk konnten sich zwei Kandidaten der bisher regierenden Sozialisten (MSZP) durchsetzen und erhöhten damit die Mandatszahl ihrer Partei auf 59. Im nordungarischen Edeleny siegte der Bürgermeister der Stadt, Oszkar Molnar, als einziger Unabhängiger.
Rechtsextreme 47, Grüne 16 Abgeordnete
Fidesz hatte seinen umstrittenen Politiker Molnar, der mit Bemerkungen gegen Roma und Juden für Kritik gesorgt hatte, nicht mehr als Kandidaten aufgestellt, worauf dieser als Unabhängiger kandidierte. Die rechtsradikale Jobbik und die Grün-Partei LMP konnten keine Mandate in Einzelwahlkreisen erhalten und werden nun 47 bzw. 16 Parlamentarier stellen.
"System der Oligarchie gestürzt"
Bei der Parlamentswahl in Ungarn habe "eine Revolution in den Wahlzellen" stattgefunden, erklärte am Sonntagabend Fidesz-Chef Viktor Orban, der künftige Ministerpräsident. In Ungarn hätte sich mit den Wahlen eine "historische Lehre, eine Lehre der vergangenen 20 Jahre bestätigt": "Ein System kann nicht verändert, sondern nur gestürzt werden". Mit der Wahl hätten die Ungarn "das System der Oligarchen gestürzt, die die Macht
missbrauchten", und ein neues System gegründet, das "System der nationalen Zusammenarbeit".
Sozialisten-Chef tritt zurück
Nach der schweren Wahlniederlage der Sozialisten nach acht Jahren an der Regierung gab die Vorsitzende der Partei, Ildiko Lendvai, am Sonntagabend ihren Rücktritt bekannt. Zugleich erklärte Lendvai auf einer Pressekonferenz, auf dem Ende Mai anstehenden Parteitag der MSZP werde sie auch ihren Rücktritt von ihrer Funktion im Parteivorstand anbieten.
Neue Regierung am 20.Mai?
Staatspräsident Laszlo Solyom kündigte am Wahlabend an, die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments zum "frühestmöglichen Zeitpunkt" anzusetzen. Experten erwarteten ein erstes Zusammentreten am 10. oder 17. Mai, die Regierung könnte dann um den 20. Mai stehen.
Ausreichende Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung war in der zweiten Runde mit 46,57 Prozent für ungarische Verhältnisse sehr niedrig, dennoch war das Votum in allen betroffenen Wahlkreisen gültig. Das ungarische Wahlsystem ist eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht, wo die Mandate teils über Parteilisten, teils über Einzelwahlkreise verteilt werden. In der zweiten Runde findet eine Stichwahl zwischen jenen drei Kandidaten in einem Wahlkreis statt, die in der ersten Runde die meisten Stimmen erhalten hatten.