König akzeptiert Leterme-Rücktritt

Belgien: Regierungskrise bedroht EU-Vorsitz

In Belgien ist die Regierung von Ministerpräsident Yves Leterme endgültig am Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen gescheitert. König Albert II. hat am Abend das Rücktrittsgesuch angenommen. Damit stehen in Belgien zwei Monate vor Übernahme des EU-Ratsvorsitzes Neuwahlen an.

Morgenjournal 27.04.2010

Geschlossene Blöcke

Dass König Albert II. nichts anderes übrig geblieben ist, als den Rücktritt des Ministerpräsidenten Yves Leterme anzunehmen, verschärft schlagartig die belgische Krise. Denn in Belgien stehen jetzt die Parteien, egal ob Christdemokraten, Liberale oder Sozialdemokraten, entlang nationaler Frontlinien gegeneinander. Die flämischen Parteien machen geschlossen Block gegen die französisch sprechenden Wallonen und umgekehrt. Die verzweifelten Vermittlungsversuche des angesehenen Ex-Premiers Jean-Luc Dehane, der in beiden Volksgruppen anerkannt wird, sind gescheitert.

Neuwahl kurz vor EU-Vorsitzperiode

Nachdem alle Kompromissversuche gescheitert sind, muss König Albert II. entscheiden, ob es noch Sinn macht, eine neue Regierungsbildung zu versuchen oder ob Neuwahlen unvermeidlich sind. Die müssten wahrscheinlich Anfang Juni stattfinden, drei Wochen vor der am 1.Juli beginnenden belgischen Präsidentschaft in der Europäischen Union.

Präsidentschaft ohne fixe Regierung?

Schlagartig sind in den letzten Tagen wieder separatistische Parteien vom rechten Rand in den Vordergrund getreten, die für ein unabhängiges Flandern werben. Schneiden sie gut ab bei Wahlen, dann wird eine Regierungsbildung extrem schwierig und kaum innerhalb weniger Wochen abzuschließen sein. Belgien müsste seine Präsidentschaft ohne fixe Regierung beginnen, ein ziemliches Horrorszenario.

Ständiger Präsidenten als sicherer Anker

Für die EU beruhigend ist, dass es dank des Reformvertrages auch den ständigen Ratspräsidenten Herman van Rompuy gibt, der ebenfalls aus Belgien kommt. Ihm traut man zu, auch ohne klare Verhältnisse im belgischen Brüssel das Brüssel der EU funktionstüchtig zu halten.

Ende der Kompromisse?

In Belgien war es in der Vergangenheit immer so, dass sich auch in den verfahrensten innenpolitischen Krisen ein erfolgreicher Vermittler gefunden hat, der eine Eskalation des Streits zwischen den Volksgruppen verhindert hat. Diese Kompromissfähigkeit scheint zu schwinden. Die Sorge ist unüberhörbar, dass aus der Regierungskrise diesmal eine belgische Regimekrise werden könnte.