Will russische Regierung nach Terror-Anschlägen

Mehr Vollmachten für Inlandsgeheimdienst FSB

Nach den beiden Terroranschlägen auf die Moskauer Untergrundbahn Ende März möchte die russische Regierung dem Inlandsgeheimdienst FSB mehr Vollmachten geben. Bürgerrechtler kritisieren die Initiative als Vorwand, Regierungsgegner künftig noch effektiver von den Geheimdiensten überwachen zu lassen.

Mittagsjournal, 27.04.2010

Führung hat reagiert

Dmitri Medwedjew und Wladimir Putin, Präsident und Ministerpräsident, waren sich rasch einig, dass die Führung auf die Terroranschläge Ende März reagieren muss. Ob die Vorschläge, die die russische Regierung nun dem russischen Parlament, der Duma, zur Begutachtung vorgelegt hat, wirklich die Terrorgefahr in Russland im Blick haben, ist allerdings fraglich.

Mehr Vollmachten für FSB

Der zentrale Punkt ist klar: Der Inlandsgeheimdienst FSB soll mehr Vollmachten erhalten. Die Nachfolgeorganisation des KGB soll künftig gegenüber Personen oder Organisation die Warnung aussprechen können, dass ihre Tätigkeit als terrorverdächtig eingestuft werden kann. Wer diese Warnungen nicht beherzigt und etwa seine Protesttätigkeit fortsetzt, soll künftig bestraft werden.

Kritik auch von Duma

Das Ganze wird als effektive Profilaxe bezeichnet und nicht nur Menschenrechtsorganisationen, sondern auch Stimmen in der Duma haben sich bereits kritisch geäußert. Die Kritiker sprechen von einer Rückkehr sowjetischer Methoden. Auch damals wurden nicht nur Dissidenten belangt, sondern auch Personen, die regimekritische Literatur verbreiteten oder gesprächsweise regimekritische Ansichten äußerten. Der Hinweis ist schlüssig: Denn bei der derzeitigen Rechtslage lassen sich zwar Organisationen, Parteien, Gruppierungen auf ihre ideologische Ausrichtung hin überprüfen, bei Einzelpersonen war das schwierig und das soll sich nun ändern.

Vorbeugung gegen soziale Unruhen?

Der ausdrückliche Hinweis, dass auch das Schüren sozialer Zwietracht zur Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst führen kann, gibt einen Hinweis, dass sich die Gesetzesinitiative gar nicht so sehr gegen die Terrorgefahr richtet, sondern vielmehr die Anschläge zum Anlass genommen werden, drohenden sozialen Unruhen wirksam vorzubeugen. Kritik an den sozialen Verhältnissen soll kriminalisiert und unter Terrorverdacht gestellt werden. Schwere Geschütze werden da aufgefahren, sollte sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter verschärfen, wenn Massenarbeitslosigkeit zu Protestbewegungen führt, oder wenn, wie zuletzt in Kaliningrad, tausende auf die Straße gehen, weil Misswirtschaft und Korruption in einer Provinz ein unerträgliches Ausmaß angenommen haben.

Noch mehr Druck auf Medien

Abmahnungen des Inlandsgeheimdienstes können künftig auch gegenüber den Medien ausgesprochen werden. Wenn etwa "offen der Kult von Individualität und Gewalt Jugendliche in extremistische Aktivitäten verwickelt".
Wie immer der Vorschlag auch verwirklicht wird, eines wird auch diesmal deutlich – und das hat schon von Nordost über Beslan bis heute eine fatale Tradition. Die Anschläge werden zum Anlass genommen, die Bürgerrechte weiter einzuschränken: Mit effektiver Terrorbekämpfung im eigentlichen Sinn hat das immer nur sehr wenig zu tun.

Lubjanka - Der Sitz des FSB

Lubjanka ist für die Moskauer eine Metrostation, ein Platz und der Sitz des Inlandsgeheimdienstes FSB - früher hieß er KGB. Der Lubjanka-Platz liegt im Zentrum Moskaus in der Nähe des Kremls. Bekannt ist vor allem der gigantische Gebäudekomplex, wo einst auch der damalige FSB-Chef und heutige russische Regierungschef Wladimir Putin residierte. Für viele Russen ist Lubjanka ein Ort des Schreckens. Hier hatte schon der gefürchtete Geheimdienst NKWD unter Sowjetdiktator Josef Stalin seine Zentrale. Das Gebäude wurde auch als Gefängnis und Hinrichtungsstätte genutzt. Zahlreiche politische Gefangene wurden in den Räumen gefoltert. Zu den prominentesten Insassen gehörte der russische Schriftsteller und spätere Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn. Zwischen 1954 und 1991 war Lubjanka das Hauptquartier des sowjetischen Geheimdienstes KGB, der mit ähnlichen Methoden arbeitete.
Heute besteht die Lubjanka aus drei Gebäuden: Hauptquartier des Geheimdienstes ist ein graues Haus. Das oft fotografierte oder gefilmte gelbe Bauwerk ist Zentrale der Grenztruppen und Sitz einer FSB-Abteilung. In einem weiteren Haus ist ein KGB-Museum untergebracht.

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