So wird mit Staatsschulden spekuliert

Handel mit Anleihen treibt seltsame Blüten

Das große Problem Griechenlands ist, dass das Land immer mehr zahlen muss, um sich Geld ausborgen zu können. Der Hintergrund sind sogenannte Spekulanten - zwar nicht die typischen Geldgeber von Staaten, dennoch treibt der Finanzmarkt im Umfeld der Staatsanleihen seltsame Blüten.

Mittagsjournal, 27.04.2010

Seriöse Anleihenkäufer

Staaten borgen sich Geld, indem sie Anleihen verkaufen. Und diese Anleihen laufen oft viele Jahre. Deshalb, so Martha Oberndorfer, Leiterin der Bundesfinanzierungsagentur, sind es gerade vorsichtige Anleger wie Pensionsfonds, Lebensversicherungen oder die Nationalbanken anderer Staaten, die solche Staatsanleihen kaufen. Wer was kauft, hänge von den Laufzeiten der Veranlagungen ab, die von drei bis zu mehr als zehn Jahren reichen.

Die gute Seite der Spekulanten

Es gibt aber auch Fälle, in denen es gerade für Spekulanten interessant sein kann, Staaten Geld zu borgen. Eben dann, wenn ein Staat eine Schwachstelle bei Fundamental- oder Budgetdaten aufweist, sagt Oberndorfer. Solchen Staaten Geld zu borgen, ist ein höheres Risiko. Vorsichtige Anleger versuchen, Anleihen von wackeligen Staaten loszuwerden. Da schlagen dann risikofreudige Investoren zu. Und das ist wichtig und gut, meinen Finanzmarkt-Experten, weil solche Investoren Staaten auch dann noch Geld borgen, wenn die meisten Anleger das nicht mehr riskieren würden.

Handel mit Risikoprämien blüht

Trotzdem sieht Martha Oberndorfer gerade im Fall Griechenland ein Beispiel, wo die Märkte ein vorhandenes Problem noch verstärken und übertreiben. Der Handel mit Risikoprämien für Staaten (credit default swap spreads) treibe im Moment "Blüten, die auch für andere Staaten als Griechenland spürbar sind."

Absurde Entwicklungen

Diese Credit default swaps (CDS) sind Versicherungen. Wer einem Staat Geld borgt, kann diese Versicherungen abschließen für den Fall, dass der Staat nicht zahlen kann. Im Fall Griechenland hätten sich diese CDS-Geschäfte in absurder Weise entwickelt. "Man zahlt Prämien an Banken mit einer relativ geringen Bonität, damit die die Insolvenz eines Staates mit bester Bonität versichern." Das heißt, die Versicherung ist noch viel riskanter als das Grundgeschäft, meint Oberndorfer.

Banken: Hoher Preis gerechtfertigt

Aus Banken, die solche Geschäfte abwickeln, hört man allerdings eine andere Sicht der Dinge: Bei keinem Staat der Welt sei das Risiko einer Pleite derzeit so groß wie bei Griechenland. Wenn sich ein Staat in so einer Situation Geld ausborgen will, dann muss er dafür eben einen hohen Preis zahlen.

Widersprüche bleiben

Wir schaffen es alleine, sagen die Griechen, und nehmen prompt Hilfe in Anspruch. Wir helfen, sagen die Politiker der 27 EU-Staaten - nach wochenlangem Gezerre. In wenigen Tagen sind die Hilfskredite abrufbar, sagen sie, und jetzt dauert es doch Wochen, bis Geld fließt. Mit der EU-Hilfe ist Griechenland aus dem Schneider, sagen die einen Analysten, Griechenland wird trotz der Hilfe pleite gehen, argumentieren die anderen ebenso überzeugt. Verstärkt durch die Medien, die eine wichtige Informationsquelle für Politik und Analysten sind.

All diese widersprüchlichen Signale werden auf den Finanzmärkten genau registriert. Sie sind das Gegenteil von Sicherheit - und das bereitet auch den Nährboden auf für jene Spekulanten. Will die Politik das Problem Griechenland in Griff bekommen, und will sie Folgeprobleme bei Portugal, Spanien oder anderen EU-Ländern verhindern, und will sie den EURO als Währung stabilisieren, hat die Politik drei Möglichkeiten.

Erstens: zuerst denken, dann reden - Wissen, was das Gesagte auf den Finanzmärkten bewirkt. Zweitens: sie legt den Spekulanten das Handwerk. Drittens: sparen und die Haushalte in Ordnung bringen. Niemand kann permanent über seine Verhältnisse leben. Am allerbesten aber wäre es, die Politik tut alles zusammen.

Mittagsjournal, 27.4.2010

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