Das zionistische Engagement von Theodor Herzl

Der Schriftsteller als Politiker

Der Schriftsteller und Journalist Theodor Herzl propagierte Zeit seines Lebens die Idee vom Judenstaat. Stefana Sabin erzählt in ihrem Essay die Geschichte der zionistischen Idee und deren Verbreitung als ganz persönliche Erfolgsstory.

Sprachgewaltig und überzeugend

Am Sonntag, dem 2. Mai, jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag von Theodor Herzl. 1860, tief in der Donaumonarchie, in Pest geboren und 1878 nach Wien übersiedelt, studierter Jurist, Schriftsteller und Journalist, entwickelte sich Theodor Herzl vom säkularen assimilierten Juden zum jüdisch-nationalistischen Aktivisten und Gründervater des modernen politischen Zionismus.

Seine Ideen schlugen zweifellos auch deshalb so hohe Wellen, weil Herzl sie sprachgewaltig und überzeugend zu vermitteln wusste; und es waren auch Herzls politische Schriften, die ihm jenen Erfolg einbrachten, der ihm zuvor als Literat versagt geblieben war. Die gelungene Verschränkung der literarischen mit der politischen Sphäre und den Weg dorthin beschreibt die Literaturwissenschaftlerin Stefana Sabin in ihrem neuen Buch "Der Schriftsteller als Politiker. Theodor Herzl und das zionistische Engagement".

Was lässt sich über jemanden wie Theodor Herzl, über den schon so viel geschrieben wurde, Neues sagen? Noch dazu auf knappen dreißig Seiten, denn nicht mehr umfasst das broschürenartige Bändchen.

Von der Idee zur Verbreitung

Die überraschende Antwort: Recht viel, denn die Autorin erzählt die Geschichte der zionistischen Idee und deren Verbreitung als ganz persönliche Erfolgsstory ihres geistigen Vaters. Und sie tut das, indem sie ihren Essay ganz auf den Gesinnungswandel des deutsch-jüdischen Assimilations-Denkers Herzl zum nationalpolitischen Agitator eines vollkommen säkularen Zionismus konzentriert.

Aufgerollt wird diese Geschichte "von hinten". Sie beginnt im Hochsommer 1897, mit dem ersten Zionistenkongress in Basel, den Theodor Herzl einem Theaterstück gleich "inszenierte":

Tatsächlich gelang ihm in Basel ein großartiges Stück, das ein historisches Ereignis markierte: "Die Geschichte des gestrigen Tages brauche ich nicht mehr zu schreiben, die schreiben jetzt bereits andere", wusste er schon am 30. August 1897. Und er wusste, dass er selbst zu einer historischen Gestalt geworden war.

Ungewöhnliche Karriere

Der Weg dorthin war Herzl allerdings alles andere als vorgezeichnet. Stefana Sabin beschreibt, immer in komprimierter, sprachlich umso klarer pointierter Form, die ungewöhnliche Karriere eines zunächst vehement die Assimilation der Juden propagierenden jungen Mannes aus jüdischer Familie, der sich - obwohl studierter Jurist - immer als Schriftsteller sah und als solcher auch anerkannt sein wollte.

Sabin berichtet von Herzls Anfängen als Dramatiker in Wien, seinem mäßigen Talent auf diesem Gebiet - und wie der ausbleibende Erfolg ihn in eine tiefe psychische Krise stürzte. Sein Jugendtagebuch nannte er ein "Buch der Elendbekenntnisse" und notierte darin:

Kraftlose, thatlose, glücklose Zeit! (…) Kein Erfolg will kommen. Und ich brauche doch den Erfolg.

Fast scheine es, urteilt die Autorin, dass Herzls Schreiben keine Notwendigkeit, sondern Mittel zum Zweck gewesen sei - zum Zweck des Erfolges. Und dieser Erfolg stellte sich erst ein, als Herzl sich dem Journalismus zuwandte.

Wir lesen, wie er mit stilsicheren und beobachtungsscharfen Reisefeuilletons für die "Wiener Allgemeine Zeitung" das ersehnte Renommee gewann und mit diesem wenig später eine Stelle als Korrespondent der "Wiener Neuen Freien Presse" in Paris. Seine Berichte von dort über die Affäre Dreyfus, die nach und nach wachsende Erkenntnis, dass hinter den scheinbaren juristischen Fahrlässigkeiten im Strafprozess genau der selbe Antisemitismus steckte, der in der begleitenden Zeitungshetze offen zutage trat, sowie das daraus resultierende radikale Umdenken in der Judenfrage, resümiert die Autorin kurz und bündig:

So verwandelte sich sein Verständnis des Antisemitismus als eines sozialen oder kulturellen Problems, dem man mit Bildung und Aufklärung entgegentreten konnte, in ein nationalpolitisches Problem, das einer national-politischen Lösung bedurfte.

Einmalige Propagandaschriften

Damit war das zionistische Projekt geboren, dessen Vater und Sprachrohr Herzl war. Die wortgewaltige Ausformulierung seiner zentralen Idee eines eigenen jüdischen Staates beschreibt Stefana Sabin als eine Art Selbsttherapie: Als politischer Kämpfer mit literarischen Mitteln habe Theodor Herzl endlich jene Anerkennung gefunden, die ihm als Dramatiker so schmerzlich versagt geblieben war.

Seine auflagenstarken Erfolgsromane - allen voran "Der Judenstaat" von 1896, aber auch der utopische Roman "Altneuland", 1902 erschienen und im Jahr 1923 spielend, seien in ihrer Art einmalige Propagandaschriften in literarischem Gewand gewesen. Sie hätten ihren Autor nicht nur berühmt, sondern auch - wie Stefana Sabin schreibt - zu einem der "erfolgreichsten und wirkungsmächtigsten Schriftsteller" des vergangenen Jahrhunderts überhaupt gemacht:

Denn wie kaum andere Bücher begründeten (diese) zuerst einen Mythos, auf dem schließlich eine Wirklichkeit gegründet wurde.

Bei alledem sei Herzl, tief in seinem Inneren, stets der enttäuschter "Theatermann" geblieben, der sich bis kurz vor seinem Tod 1904, im niederösterreichischen Edlach an der Rax, nicht wirklich als Politiker sehen konnte: Wehleidig, so berichtet Sabin, und nicht ohne Stolz zugleich habe er am 4. Juni 1902 in sein Tagebuch notiert:

Als (...) Dramatiker gelte ich nichts, weniger als nichts. Mann nennt mich nur einen guten Journalisten (...) - in der Judenfrage wurde ich als Agitator weltberühmt.

Service

Stefana Sabin, "Der Schriftsteller als Politiker. Theodor Herzl und das zionistische Engagement", Wallstein Verlag

religion.ORF.at - 150. Geburtstag von Theodor Herzl
Wallstein Verlag