Gustav Kuhns "col legno musica"

Ein Festival wie eine Zeremonie

Von klassisch bis modern und zeitgenössisch spannt sich an zweieinhalb Tagen der Bogen beim Festival "col legno musica" in der Nähe von Lucca, dem Geburtsort Giacchomo Puccinis. Mastermind des Festivals ist Gustav Kuhn.

Kulturjournal, 10.05.2010

Von der toskanischen Stadt Lucca, dem Geburtsort Giacchomo Puccinis, führt eine enge, serpentinenreiche Straße zum Convento dell' Angelo, einem aufgelassenen Kloster, das einsam auf einem Hügel thront.

In diesem schönen, frisch renovierten Anwesen trifft sich Gustav Kuhns Künstlerschmiede, die "Accademia di Montegral", und einmal im Jahr wird die Kirche zum Konzertsaal umgewandelt.

Familiäre Atmosphäre

Von klassisch bis modern und zeitgenössisch spannt sich an zweieinhalb Tagen der Bogen beim Festival "col legno musica". Die Atmosphäre ist in mehrfacher Hinsicht familiär: Gustav Kuhn präsentiert sich wort- und gestenreich als Familienoberhaupt, kommentiert alle Werke selbst, lässt die Künstler nach deren Auftritt einzelne Passagen mitunter noch einmal spielen und zieht auch sonst gerne die Aufmerksamkeit auf sich.

Mit einiger Berechtigung, denn künstlerisch gesehen sind ja viele der auftretenden Künstler auch Kuhns Kinder: In der Accademia di Montegral sollen sie ganzheitlich gefördert und nicht gänzlich dem kommerziellen Musikbetrieb überlassen werden. 200 Konzerte im Jahr seien etwa für einen jungen Pianisten kaum zu bewältigen, sagt der ehemalige Karajan-Schüler.

Pianisten ohne Hoffnung

"Das ist ja glaub ich ziemlich bekannt, dass ich vom normalen Kultur- und Konzertbetrieb nicht so wahnsinnig viel halte. Wir haben ganz phantastische Pianisten. Wenn sie sehen, dass die Pianisten ohne Hoffnung herumlaufen, weil sie keine Konzerte bekommen. Dann gewinnen sie irgendeinen großen Wettbewerb und spielen 200 Konzerte im Jahr. Das eine ist so traurig wie das andere." Nur wenige Namen würden in diesem System Erfolg haben, so Kuhn.

Dem Prinzip, andere Wege gehen zu wollen, folgt daher auch das Festival "col legno musica", das einen weiten Bogen von der Klassik bis zur modernen und zeitgenössischen Musik spannt. Wie auch das Plattenlabel "col legno": Dort haben etwa der Komponist und Organist Klaus Lang und die Violinsolistin Annelie Gahl bearbeitete Musik von John Cage eingespielt. Dessen beiden Zyklen "Six Melodies" und "Thirteen Harmonies" haben die beiden Musiker ineinander verwoben - heraus kommt das Werk "Melodies and Harmonies".

Sechs-Sekunden-Stück

Großen Beifall hat auch der italienische Pianist Alfonso Alberti geerntet, der exakt und virtuos Werke von Niccoló Casiglioni, Gérard Pesson und György Ligeti interpretiert hat.

Den größten Effekt erzielte Alberti wohl mit der Uraufführung von Pessons Stück "Excuse my Dust", das mit sechs Sekunden das vielleicht kürzeste Werk der Musikgeschichte ist.

Mit Zeitgenössischem überzeugt

Vor zehn Jahren ist Alfonso Alberti mit dem Ensemble Niccolò Castiglioni bei den von Kuhn geleiteten Tiroler Festspielen in Erl aufgetreten. Seine Interpretation von Musik aus dem 20. Jahrhundert habe den Maestro überzeugt, erzählt Alberti.

"Gustav Kuhn war sehr beeindruckt von dieser Musik und unserer Interpretation und hat mich später wieder eingeladen. Er kann vielleicht mehr über Schumann oder Wagner sagen als über Ligeti, aber für mich ist es interessant, mit einem großen Musiker zu arbeiten, der aus einer anderen Richtung kommt", so Alberti.

Gemeinsames Essen nach dem Konzert

Den traditionellen Abschluss des Festivals bildet Gioacchino Rossinis "Petite Messe Solennelle", aufgeführt von der Chorakademie der Tiroler Festspiele, samt Liturgie. Auch das übrige Festival mutet wie eine Zeremonie an: So essen nach dem Konzert alle an einer Tafel, und der Vorsitzende Gustav Kuhn lässt das Tischgebet sprechen.

"Es geht nicht um das große, gläubige Tischgebet, sondern dass man sich besinnt, dass das Essen eine Art von Mysterium beinhaltet: Warum müssen wir vernichten, um zu leben? Da haben wir viel von den Patres gelernt. Diese Art von Geistigkeit, dass man formale Handlungen für den Inhalt setzt, ist ja eine hochmusikalische Tätigkeit. Das passiert ja ständig in der Musik."

Übersicht

  • Klassik