Uraufführung im Klagenfurter Ensemble

Die Kardinälin - Eine Ohnmacht

Sexueller Missbrauch wird der Kardinälin in Peter Wagners Stück vorgeworfen. In einem Kloster sitzt er, in seinem Rollstuhl und redet, träumt von vergangener Größe. Dem burgenländischen Autor und Regisseur geht es aber nicht um Anklage, sondern um das Drama eines Menschen.

Die Kardinälin will sich nicht erinnern, will für nichts, auch nicht für den sexuellen Missbrauch an den ehemaligen Zöglingen, die Verantwortung übernehmen, zeigt keine Spur von Reue oder Einsicht: "Kein einziger wurde missbraucht, wir haben unserem verliebten Gott gehuldigt. In höchster Liebe!"

Angelehnt an die Affäre Groer

Die Anklage überlässt Peter Wagner, der auch selbst Regie führt, bewusst anderen, der öffentlichen Meinung oder den Medien. Literatur hat einen anderen Auftrag, soll in die Seele des Menschen hineingehen, meint er.

Angelehnt ist das Stück an die Affäre Groer. Auch die Kardinälin sitzt alleine in einem Kloster und wartet auf das Ende. Kann sich nicht mehr bewegen. Ist auf Hilfe von außen angewiesen. Sogar beim Zubinden der Schuhe, denen er seinen Beinamen verdankt. Sichtbar wird das Drama eines Menschen. Verantwortung übernimmt dieser Mensch aber nicht.

Glaube als Machtinstrument

Der Glaube, so Peter Wagner, ist eigentlich das Instrument für die Handhabung der Macht. Unterordnung ist alles: Unterordnung unter das göttliche Prinzip und Unterordnung unter das hierarchische Prinzip der katholischen Kirche. Politiker oder Tyrannen können abgewählt, gestürzt werden, die Vertreter der katholischen Kirche nicht, sie bleiben immer "Seelsorger".

Ihr Missbrauch trifft die Menschen in ihrem Innersten. Und sie können sich oft nicht mehr aus diesen zutiefst verletzenden Abhängigkeiten lösen. Die Täter verdienen, davon ist Peter Wagner überzeugt, kein Mitleid, aber Erbarmen.

Unfehlbarer Papst

Benedikt XVI. kommt im Stück noch als Joseph Ratzinger vor. Für Peter Wagner wird seine Rolle durch die aktuelle Diskussion immer klarer: Als Papst ist er, der eigenen Diktion zufolge, unfehlbar. Das bedeutet, er kann nicht wirklich hinterfragt werden und hat daher auch nicht das Gefühl, Antworten geben zu müssen auf Fragen, die er sich selbst nicht stellt.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Peter Wagner, "Die Kardinälin - Eine Ohnmacht", 11. bis 15. Mai 2010, Klagenfurter Ensemble, ab 27. Mai 2010, Offenes Haus Oberwart, ab 8. Juni 2010 3Raum Anatomietheater Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen an allen drei Veranstaltungsorten ermäßigten Eintritt.

Klagenfurter Ensemble
Offenes Haus Oberwart
3Raum Anatomietheater

Übersicht

  • Sexuelle Gewalt