Wifo-Experte fordert weitere Maßnahmen

"Wetten auf Staatspleiten verbieten"

Der Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Stefan Schulmeister, fordert weitere Maßnahmen der Euro-Staaten gegen die Spekulation: Das 750-Milliarden-Paket der EU sei ein richtiger Schritt gewesen. Als nächstes sollten eine solidarische Garantie für die Staatsfinanzen aller Länder abgegeben, Wetten auf Staatspleiten verboten und eine Transaktionssteuer eingeführt werden.

Morgenjournal 12.05.2010

"Heuschrecken müssten abziehen"

Schulmeister zu den Vorteilen einer solchen Solidargarantie: "Dann gibt es kein Anrecht mehr auf Risikoprämien, und dann könnte im Prinzip das Zinsniveau festgelegt werden. Und dann wurde sich die Spekulation mit einem Schlag aufhören. Die Staats-Heuschrecken müssten sich ein anderes Feld suchen."

Lösung Spekulationssteuer

Schulmeister verweist auch neuerlich auf die von ihm vertretene Forderung nach einer Transaktionssteuer, die kurzfristige Spekulationen verteuern und damit uninteressant machen würde. Er sieht die Chance, dass jetzt etwas in Bewegung kommt, weil die Budgetdefizite so groß sind und die Transaktionssteuer erhebliche Mittel einspielen würde.

"Gute" und "böse" Spekulation trennen

Ein Hauptinstrument der Spekulation seien Credit Default Swaps (CDS), so Schulmeister. Die seien deshalb so problematisch, weil damit professionelle Spekulanten die Notlage einzelner Länder ausnützen können. Allerdings sei "gute" und "böse" Spekulation nicht einfach voneinander zu trennen. "Am Beginn solcher Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten steht immer was Vernünftiges." So könne ein Pensionsfonds mittels CDS ein Staatspapier, das er besitzt, versichern. Andererseits könnten aber Akteure, die mit Staatspapieren überhaupt nichts zu tun haben, mittels CDs auf die Pleite eines bestimmten Landes wetten. "Indem sie da Gerücht intensivieren, dass das Land in Verruf kommt, steigt der Wert der Wetten und ihr Spekulationsgewinn. "Zugleich steige aber die Zinsenlast der betroffenen Länder, was genau das Problem herbeiführe, von dem die Spekulanten profitieren. "Das ist natürlich eine totale Fehlkonstruktion."

Reine Wetten verbieten

Mögliche Gegenmaßnahme laut Schulmeister: "Naked CDS" verbieten, also einschränken, dass ohne den Besitz eines entsprechenden Staatspapiers keine "Versicherungsgeschäfte" abgeschlossen werden dürfen. Im übertragenen Sinn: "Eine Wette darauf, dass das Haus des Nachbarn in Flammen aufgeht, das könnte man verbieten - und nur sein eigenes Haus versichern."

"Religiöse" Frage

Dass nicht schon früher Regulierungsmaßnahmen ergriffen wurden, erklärt Schulmeister damit, dass sich in den letzten Jahrzehnten "eine Art religiöse Vorstellung entwickelt hat, es gebe eine unsichtbare Hand am freien Markt, die alles zum Besten lenkt. Und eine ganze Generation von Ökonomen, die beim IWF, der EU-Kommission und den Politikern sitzen, können von dieser Vorstellung nicht loskommen. Denn wenn wir zugeben, dass die freiesten Märkte falsche Preise setzen und hier viel Missbrauch passiert, dann müsste das ganze Weltbild revidiert werden. Dann müssten Nobelpreise zurückgeschickt werden."