Sozialpartner gemeinsam dafür
Transaktionssteuer auch allein
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) fordert vehement die Einführung einer Finanztransaktionssteuer - wenn nötig im Alleingang durch Österreich. Unterstützung bekommt Leitl weniger aus seiner eigenen Partei als vom Sozialpartner: von Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 16.05.2010
"Österreich muss vorausgehen"
Die Einführung eine EU-weiten Finanztransaktionssteuer ist das Ziel der Koalitionsregierung von SPÖ und ÖVP. Doch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl geht das nicht weit genug. Gegenüber Ö1 sagt Leitl: "Die Politik diskutiert jetzt seit Ausbruch der Finanzkrise und kommt nicht vom Fleck. Die Leute werden immer ungehaltener. Und wenn das auf internationaler oder europäischer Ebene nicht möglich ist, muss Österreich den Anfang machen und einmal vorausgehen." Konkret soll Österreich vorausgehen mit einer, so Leitl, geringfügigen Spekulationssteuer auf Finanzbewegungen in der Höhe von 0,05 Prozent ab 1. Jänner des kommenden Jahres.
Finanzministerium dämpft
Skeptisch reagiert das Büro von Leitls ÖVP-Parteikollegen Finanzminister Josef Pröll. Mit einem Vorpreschen könnte sich Österreich ins eigene Fleisch schneiden und Kapital ins Ausland treiben, heißt es.
Tumpel: Durchaus im Alleingang
In der ORF-Pressestunde sagt Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel zu diesem Einwand: "Stimmt überhaupt nicht, es gibt sieben Länder in Europa, die so etwas ähnliches haben." Auch Österreich habe eine Börsenumsatzsteuer gehabt, die abgeschafft wurde, als die Börsen "in" gewesen seien. "Man kann das in Österreich durchaus im Alleingang durchführen." Wünschenswert wäre eine Umsetzung auf europäischer Ebene, aber es sei auch als Einzelmaßnahme notwendig, so Tumpel.
"Geht alles in die falsche Richtung"
Und Wirtschaftskammerpräsident Leitl warnt den vor der Einführung oder Erhöhung anderer Steuern: "Erbschafts-, Schenkungs-, Vermögenssteuer wieder einführen, Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer - geht alles in die falsche Richtung. Wir haben ein so elendiges Wachstum, das das nicht verantwortbar wäre. Und die Finanzwirtschaft lässt man in Ruhe. Wenn man jedes kleines Bedenken dafür verwendet, dass einen der Mut verlässt, kommen wir nie weiter."
Sparen und Steuern eintreiben
Leitl will eine Budgetsanierung ausschließlich durch die Einführung der Finanztransaktionssteuer und durch Einsparungen bei Bürokratie und Doppelgleisigkeiten bei Spitälern und im Schulwesen. Tumpel fordert vor allem Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung. Da seien ungeheure Summen zu holen.
"Modifizierte Börsenumsatzsteuer"
Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) hält einen Alleingang Österreichs bei einer Finanztransaktionssteuer für "begrüßenswert", sollte sich "bis Herbst" in der EU-weiten Diskussion in dieser Sache nichts tun. Konkret würde es sich dabei um eine neue, modifizierte Börsenumsatzsteuer handeln, so Schieder zur APA. Eine befürchtete Kapitalflucht wäre damit "begrenzt", auch Standortnachteile für Österreich ergäben sich dadurch keine, so der Staatssekretär. Erfahrungen anderer Länder, beispielsweise in Großbritannien oder der Schweiz, wo es ähnliche Abgaben gebe, würden dies bestätigen.
"Scheues Reh" Kapital
Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) spricht sich vehement gegen einen Alleingang Österreichs bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer aus. Bisher seien alle Experten und Finanzminister bei Ecofin-Treffen der Auffassung gewesen, dass eine solche Steuer nur dann Sinn mache, wenn sie europaweit eingeführt werde, sagte Lopatka. "Kapital ist scheu wie ein Reh", so der Staatssekretär
Börse fürchtet um Umsatz
Die Wiener Börse hält nichts von einem nationalen Alleingang Österreichs bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer. In einer Aussendung warnt sie davor, dass dadurch zwei Drittel des Aktienumsatzes verloren gehen könnten. Denn dieses Volumen werde von ausländischen Marktteilnehmern gehandelt, die ins Ausland abwandern würden.