Obamas zweites Großprojekt

USA: Neuregelung des Finanzsektors

In den USA scheint Präsident Barack Obama wenige Monate nach dem Beschluss seiner Gesundheitsreform auch ein zweites großes Projekt umsetzen zu können: die Neuregelung des Finanzsektors. Noch diese Woche wird der US-Senat aller Voraussicht nach über die Reform abstimmen

Mittagsjournal, 19.05.2010

Und anders als bei der Gesundheitsreform scheint Obama dieses Mal weit weniger Kompromisse eingehen zu müssen. Angesichts der Stimmung in der Bevölkerung, der Betrugsanklage gegen das Wall-Street Flaggschiff Goldman Sachs, dürften auch einige Republikaner mit den Demokraten für die Reform stimmen.

Neue Konsumentenschutzbehörde

Der Reform Entwurf hat 1.400 Seiten - der Großteil davon setzt sich mit Banken und deren Geschäften auseinander. Allein die Einrichtung einer neuen Konsumentenschutzbehörde unter Aufsicht der Notenbank FED wird im Alltagsleben der US-Bürger ihren Platz finden - wenn es darum geht, ob Kreditkartenfirmen überhöhte Überzugszinsen verrechnen oder Bankkunden über mangelnde Informationen klagen.

Mehr Licht in Spekulationsfonds

Im Kern geht es bei der Reform aber darum, mehr Licht in die Geschäfte mit hochspekulativen Fonds zu bringen und komplexe Bankprodukte wie Derivative durchsichtiger zu gestalten.

Und da haben die Demokratischen Verhandler mehr durchgebracht als anfangs vermutet wurde: viele bisher ungeregelte Geschäfte müssen künftig bei der Börsenaufsicht gemeldet und offengelegt werden.

Radikale Forderungen von links, wie konkrete Größen-Beschränkungen für Banken konnten genauso abgewehrt werden, wie Verwässerungen von rechts oder durch die einflussreichen Lobbys der Banken.

Kontrollore brauchen Werkzeuge

Wirtschaftsprofessor Eric Pan aus New York sieht im vorliegenden Entwurf eine Verbesserung im Vergleich zur Zeit vor der Wirtschaftskrise - meint aber, dass erst die Praxis zeigen werde, was die Reform wirklich wert ist: "Wenn die Regulatoren Schwierigkeiten haben ihre Arbeit zu erledigen, weil es an Geld, Erfahrung oder Informationen fehlt, dann ist das ein Problem. Und genau da muss angesetzt werden: Wie stellen wir sicher, dass die Kontrolleure auch die richtigen Werkzeuge haben, um die Banken zu überwachen."

Denn wie Notenbank, Börsenaufsicht und die neue Konsumentenschutzbehörde richtig koordiniert werden sollen, das stehe nicht im Gesetz, so Pan.

International koordinieren

Von entscheidender Bedeutung sei auch die internationale Verflechtung der Kontrollsysteme - denn Krisen würden auch nicht vor Staatsgrenzen halt machen. Die G20, die 20 größten Wirtschaftsmächte, hätten wichtige Grundsatzbeschlüsse gefällt, so Eric Pan, aber an der Umsetzung fehle es noch: "Die G20 haben Fortschritte gemacht - aber nur auf sehr hoher Ebene. In der Praxis ist davon aber wenig zu merken. Da muss noch gearbeitet werden."

Keine Einigkeit

Doch um die internationale Einigkeit ist es nicht gut bestellt: Die EU-Finanzminister haben sich gestern mehrheitlich für strengere Zulassungsbestimmungen für hochspekulative Fonds ausgesprochen. US-Finanzminister Timothy Geithner kritisiert diese Pläne als Diskriminierung ausländischer Finanzprodukte und lehnt sie ab.

Und während in Europa mehrere Regierungen über eine Gebühr bei Aktienkäufen und -verkäufen zumindest laut nachdenken, wird diese sogenannte Tobin-Tax, der zuletzt auch die Weltbank etwas abgewinnen konnte, in den USA strikt abgelehnt.