Gesamtschule ist "Einzelmeinung"

ÖVP distanziert sich von Karl

Die ÖVP distanziert sich vom jüngsten Vorschlag von Parteikollegin Wissenschaftsministerin Beatrix Karl, eine gemeinsame Schule für Zehn- bis 14-Jährige einzuführen. Das sei die persönliche Meinung der Ministerin, so Parteichef Josef Pröll.

Mittagsjournal, 20.5.2010

SPÖ-Schmied hocherfreut

Die SPÖ-Unterrichtsministerin ist schlichtweg begeistert. Es sei jetzt eindeutig formuliert: kein Numerus Clausus mehr mit neuneinhalb Jahren, keine Entscheidung mehr mit Noten aus dem Volksschulzeugnis, mehr Chancengleichheit für möglichst viele Kinder. Das sei ein Riesenschritt für die ÖVP in der Bildungsdiskussion, so Claudia Schmied.

ÖVP distanziert sich

Aber diese Zuversicht scheint unangebracht. Denn recht viel mehr Lob gibt es für Beatrix Karl heute nicht. Und vor allem nicht aus der eigenen Partei. Die schwarze Lehrergewerkschaft zum Beispiel, die tobt. Und schon lange waren nicht mehr so böse Worte gegen eine Parteifreundin zu hören. Von einem Skandal ist die Rede, und dass Karl überfordert sei und besser geschwiegen hätte.

Keine gemeinsame Schule

AHS-Lehrergewerkschafterin Eva Scholik meint, eine gemeinsame Schule löse die Probleme an den Schulen nicht. Die Aussage von Ministerin Karl sei eine Einzelmeinung. Die ÖVP, bzw. der ÖAAB stehe für ein differenziertes Schulsystem. Ein Bildungssystem sei dann gerecht, wenn es durchlässig sei, wenn Schüler in jede Schulart übertreten können für die sie eine Begabung haben und wo sie individuell gefördert werden können, so Scholik.

Pröll: Einzelmeinung

Von einer persönlichen Meinung der Wissenschaftsministerin spricht heute auch ihr Parteichef. Josef Pröll macht seinem Arbeitnehmerbund eindeutig die Mauer: der ÖAAB habe am Beginn dieser Woche ein Bildungskonzept vorgelegt, wo die Schule der Vielfalt, die Aufstiegsschule und die Sprachschule auch in Zukunft wesentliche Eckpunkte der ÖVP-Bildungslandschaft sein solle. Die Wissenschaftsministerin habe sich mit einem Vorschlag geäußert, der nicht der Vorschlag der ÖVP sei. Der Vorschlag werde jetzt in die Diskussion aufgenommen, man brauche aber noch Wochen und Monate um ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Das heiße, so Pröll nachdrücklich, kein Schwenk in Richtung Gesamtschule, definitiv nicht.

ÖAAB: Weist in Vergangenheit

Und diese Worte freuen wiederum eben den ÖAAB, wie Generalsekretär Lukas Mandl unverhohlen zu erkennen gibt. Die Position der Ministerin sei eine krass isolierte Einzelposition, die aus Sicht des ÖAAB weit in die Vergangenheit weise. Hier gehe es um eine Systemdiskussion aus dem vergangen Jahrhundert, der ÖAAB wolle eine Inhaltsdiskussion für das neue Jahrhundert führen. Man diskutiere nicht über Strukturen, sondern darüber, was Kinder und Jugendliche bräuchten, so Mandl.

Der ÖAAB hat also zunächst wieder Oberwasser in der parteiinternen Bildungsdiskussion. Und die SPÖ-Unterrichtsministerin hat sich vorerst also wohl zu früh gefreut.