Verstöße bei Milliardenspekulation
RH-Kritik an ÖBB-Führung
Der Rechnungshof kritisiert Vorstand und Aufsichtsrat der ÖBB wegen der misslungenen Spekulationsgeschäfte. Die Bundesbahnen haben vor Jahren ein Kreditrisiko der Deutschen Bank übernommen und dadurch fast 300 Millionen Euro verloren. Das Urteil des Rechnungshofs: Beim Abschluss dieser riskanten Geschäfte sei gegen Regeln verstoßen worden.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 07.06.2010
Teure Schadensbegrenzung
Es hätte ein lukratives Geschäft für die ÖBB werden sollen. Im September 2005 übernahmen die Bundesbahnen ein Kreditrisiko von über 600 Millionen Euro von der Deutschen Bank. Im Gegenzug sollten die ÖBB Prämien von insgesamt fast 40 Millionen Euro kassieren.
Doch das Geschäft ging schief. In der Finanzkrise wurde das Kreditrisiko schlagend - die 600 Millionen Euro drohten verloren zu gehen. In einem Vergleich mit der Deutschen Bank konnten die ÖBB den Schaden auf 295 Millionen Euro begrenzen.
"Produkt nicht genau verstanden"
Aber wer ist verantwortlich dafür, dass dieser Schaden überhaupt entstanden ist? Dieser Frage ist der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht nachgegangen. Vorwurf Nummer eins richtet sich an die für Finanzgeschäfte zuständige Abteilung in der ÖBB-Holding. Diese hätte eigenmächtig die riskanten Geschäfte abgeschlossen, das Produkt nicht genau verstanden, und die notwendigen Genehmigungen von Vorstand und Aufsichtsrat nicht eingeholt.
Mit Ausstieg gezögert
Vorwurf Nummer zwei geht an die zuständigen Vorstände, Huber und Söllinger: Diese hätten Ende 2005 erfahren, wie riskant und komplex die Geschäfte mit der Deutschen Bank sind. Trotzdem hätte der Vorstand lange nichts getan, um aus dem Finanzgeschäft wieder auszusteigen. Denn ein Ausstieg aus den Geschäften mit der Deutschen Bank wäre teuer gewesen. Die Deutsche Bank nannte damals einen zweistelligen Millionenbetrag.
Zwei Jahre zu lange gewartet
Daraufhin beschließt der ÖBB Vorstand, nicht auszusteigen, und die Geschäfte zu optimieren. Doch laut Rechungshof passiert daraufhin zwei Jahre lang nichts. Den ÖBB sei damit die Chance entgangen, vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Finanzkrise, rechtzeitig mit geringeren Verlusten auszusteigen.
Mangelhafte Information
Vorwurf Nummer drei richtet sich ebenfalls an die zuständigen Vorstände der ÖBB: Diese hätten den Aufsichtsrat nur unzureichend und zu spät über die riskanten Geschäfte informiert. Zwar berichtete der Finanzvorstand im Dezember 2005 schriftlich dem Aufsichtsrat - aber laut Rechnunghof würden darin wichtige Umstände nur unvollständig und unrichtig wiedergegeben. Dadurch habe die Gefahr von Fehlbeurteilungen durch den Aufsichtsrat bestanden.
Aufsichtsrat hätte zweifeln müssen
Vorwurf Nummer vier richtet sich aber auch gegen den ÖBB-Aufsichtsrat selbst: Bei den Aufsichtsratsmitgliedern hätten Zweifel über den Wahrheitsgehalt und die Vollständigkeit des Vorstandsberichts aufkommen müssen. Der Bericht hätte Anlass für gezielte Nachfragen und eine vertiefte Prüfung gegeben.
Teure Trennung
Und zu guter Letzt richtet sich auch Vorwurf Nummer fünf gegen den ÖBB-Aufsichtsrat: Das Präsidium des Aufsichtsrates habe es verabsäumt zu untersuchen, ob bei den ehemaligen Vorständen grobe Pflichtverletzungen vorliegen. Die Aufsichtsräte hätten sich so um die Möglichkeit gebracht, die Verträge mit den Vorständen zu kündigen und zu widerrufen. Aufsichtsräte hätten daher sorgfaltswidrig gehandelt. Denn die einvernehmliche Lösung mit dem Vorstandsvorsitzenden hat laut Rechnungshof immerhin 1,29 Millionen Euro gekostet. Das zweite Vorstandsmitglied hat demnach eine Abfindung von über 800.000 Euro erhalten.
Schadenersatzansprüche prüfen
Und der Rechnungshofbericht enthält auch eine Reihe von Empfehlungen: Unter anderem sollten die Aufsichtsräte prüfen, ob gegen die ehemaligen Vorstände Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können, und sie sollten gegebenenfalls Haftungsklagen einbringen. Und im Zusammenhang mit den Abfindungen für die ehemaligen Vorstände sollte geprüft werden, ob die Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums zur Verantwortung gezogen werden können. Die Spekulationsverluste der ÖBB in der Höhe von 300 Millionen Euro könnten also noch ein rechtliches Nachspiel haben.
Kern: Spekulationen werden verboten
Der neue ÖBB-Chef Kern kündigt im Ö1 Abendjournal-Interview an, dass es in Zukunft derartige Spekulationen nicht mehr geben soll.
In einer Presseaussendung der ÖBB hatte es zuvor geheißen, man werde den Bericht des Rechungshofes sehr ernst nehmen, und man betont gleichzeitig, dass bereits Veränderungen in der Organisation der ÖBB umgesetzt wurden, damit derartige Vorfälle, gemeint sind die Spekulationsgeschäfte, künftig unmöglich sind.
Kern: Keine Spekulationsgeschäfte mehr
Der neue ÖBB-Chef im Ö1 Abendjournal-Interview mit Ernst Weinisch
Bures sieht keine Verfehlungen Pöchhackers
Im Zusammenhang mit den Spekulationsverlusten der ÖBB kommt auch der Aufsichtsrat schlecht weg - konkret der damalige und aktuelle SPÖ-nahe Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker. Der Rechnungshof kritisiert, dass der Aufsichtsrat die Verantwortung der damaligen ÖBB-Manager nicht eingehend untersucht hat. Der damalige ÖBB-Chef Martin Huber konnte so mit einer Abfindung von 1,3 Millionen Euro das Unternehmen verlassen.
Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) sieht dennoch keine persönlichen Verfehlungen Pöchhackers - sie gehe davon aus, dass es keine andere Möglichkeit der Vertragsauflösung gab, sagt sie den Salzburger Nachrichten.
Pöchhacker habe sehr wohl alles abgesegnet, sagt hingegen ÖVP-Staatsssekretär Reinhold Lopatka. Es sei jetzt Sache der Ministerin, zu prüfen, ob und gegen wen rechtliche Schritte eingeleitet werden.
Mittagsjournal, 08.06.2010
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