22 Spieler und 1 Ball

Literarische Fußballnarren

Die Welt ist voller Fußballbücher: Experten geben ihr Fachwissen preis. Fußballer erzählen aus ihrem Leben. Satiriker geben ihre Meinung zu Fußballfakten ab. Diverse Promis outen sich als Fußballnarren. Philosophen und Literaten bekennen ihre unbändige Leidenschaft zum Thema 22 Spieler und 1 Ball.

Dickbäuchige Anthologien könnte man mit Fußball-Shortstories aus aller Herren Länder füllen. Die jüngste Anthologie kommt aus Südafrika und wurde dem Anlass entsprechend zusammengestellt: Elf in ihrer Heimat sehr bekannte Autoren, unter ihnen Creig Cameron oder Diane Awerbuck, schreiben verspielt und ernst über die wichtigste Nebensache der Welt, erzählen von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder einfach nur über Fußballgeheimnisse (hier erfährt man zum Beispiel, nicht nur was eine "Schwalbe" ist, sondern auch wie "man" sie "macht"!)

Fußball und Politik

Und es gibt eine Reihe von Romanen, in denen Fußball und Fußballer eine tragende Rolle spielen. Der spannendste ist der 1981 entstandene Roman "Der Pokalsieger" von Rachid Boudjedra, der vor allen anderen Fußballromanen als sprachliches Meisterwerk herausragt: im zeitlichen Rahmen eines Spiels komprimiert Boudjedra das Drama Algeriens - in Rückblenden, Porträts, Reportagen, Vorgriffen, Geräuschkulissen, seelischen Konflikten, Landschaftstotalen. Ein prominenter Kollaborateur und Verräter des algerischen Volkes soll ermordet werden. Die einzige Chance dazu ergibt sich während des Endspieles um den großen Pokal, weil das Opfer auf der Ehrentribüne sitzen wird.

Fußball und Liebe

Von der Verquickung Liebe-Fußball handelt "Perpétue und die Gewöhnung ans Unglück", ein Roman, der Anfang der Siebziger Jahre in Kamerun entstanden ist und 1974 in Paris veröffentlicht wurde. Mongo Beti erzählt mehr als die Geschichte der klugen Perpétue, die mit sechzehn Jahren an einen einflussreichen Beamten verheiratet wurde, weil ihre Familie den Brautpreis kassieren wollte. Perpétue verliebt sich wenig später unsterblich in Zeyang, den Fußballstar und einzigen Mann, der ihr je Liebe und Zärtlichkeit schenkte. Mongo Beti erzählt auch die Geschichte Kameruns und entwirft ein Bild der postkolonialen Gesellschaft, die von Terror und Elend geprägt ist.

Auch nicht unbedingt einladend ist die Gegend, in der Ariel und seine Freunde im Roman "Die Traummannschaft" von Sergio Olguín das größte Abenteuer ihres Lebens zu bestehen haben: die Vorstadt Villa Fiorito. Dieses Viertel betritt nur derjenige freiwillig, der das Unglück hat, dort zu leben, also Arme und Gauner. Dummerweise verliebt sich Ariel ausgerechnet in Pato, ein Mädchen dieses Viertels. Und ihr eilt er zu Hilfe, als er erfährt, was Patos Vater passiert ist: man hat ihm seinen größten Schatz gestohlen, den allerersten Ball von Diego Maradona. Und bald müssen Ariel und seine Freunde ihr fußballerisches Geschick in einem höchst gefährlichen Spiel mit kriminellen Polizisten und einem parteiischen Schiedsrichter beweisen.

Kick it like Beckham

Eindeutig nicht die erste Liebe, sondern der Fußball regiert alles Denken der dreizehnjährigen Beamtentochter Hem, erzählt der indische Autor Nalinaksha Bhattacharya in seinem Roman "Im Himmel spielen die Götter Fußball". Das läppische Schäferstündchen mit dem täppischen Friseurssohn hatte natürlich nichts mit Liebe zu tun, sondern diente lediglich einem einzigen Zweck: ihre praktisch nicht vorhandenen Brüste wachsen zu lassen. Diese Erklärung erschüttert ihre Familie so sehr, dass Hem in eine der strengsten Mädchenschulen gesteckt wird, die es in Indien gibt – was natürlich auch der Familientradition entspricht. Dummerweise hat Hem nur eines im Kopf: sie will – sehr unpassend für eine indische Höhere Tochter! - unbedingt Fußball spielen, gegen alle Regeln des indischen Comme-il-Faut!

Tunesien, indirekt

Der Topstar der tunesischen Musikszene Lotfi Bouchnak hat selber als rechter Außenverteidiger beim Spitzenclub Espérance de Tunis gespielt. Die tunesischen Schriftsteller aber bleiben beim Thema Fußball seltsamerweise stumm. Lassen Sie sich nicht täuschen: das Buch mit dem Titel "Der tunesische Torwart" stammt aus Norwegen und hat nur insofern mit Fußball zu tun, als Lars keine Lust mehr hat, irgendwelche Fußballbildchen einzukaufen, um endlich das fehlende Bild des tunesischen Torwarts einkleben zu können. Denn er hat andere Probleme: Einlagen gegen Plattfüsse, eine Zahnspange, einen nervenden Opa, Angst vor der neuen Schule, und eine Freundin. Lars heißt der junge Mann, Lars Maehle hat ihn ins Leben gerufen und mit diesem Teenie-Buch schon viel Aufsehen erregt.

Fußball und Ausbeutung

Und dann ist da auch noch die Geschichte von Madické, dem kleinen senegalesischen Fußballfan, der sich von seiner Schwester in Straßburg per Telefon alle Spiele der italienischen Nationalmannschaft schildern lässt. Madickés einziger Traum ist es, in Europa Fußball spielen zu dürfen. Und er ignoriert beharrlich alle Warnungen seiner großen Schwester. Nicht einmal das Schicksal von Moussa kann ihn abschrecken, dem jungen Fußballer, der einen Platz in der Nationalmannschaft ausgeschlagen hat, um in Europa spielen zu dürfen. Was mit Moussa geschehen ist und ob Madické doch noch Vernunft annimmt, erzählt Fatou Diome in ihrem autobiographischen Roman "Der Bauch des Ozeans". Ein Fußballbuch der besonderen Art.

Service

Manfred Loimeier (Hg.): Elf. Fußballgeschichten aus Südafrika. Peter Hammer Verlag

Rachid Boudjedra: Der Pokalsieger. Unionsverlag

Mongo Beti: Perpétue und die Gewöhnung ans Unglück. Suhrkamp

Sergio Olguín: Die Traummannschaft. Suhrkamp TB

Nalinaksha Bhattacharya: Im Himmel spielen die Götter Fußball. Knaur

Lars Maehle: Der tunesische Torwart. Gerstenberg

Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans. Diogenes