Zu Widerstand wird aufgerufen

Enteignet

Nicht nur Schlösser und Seen werden privatisiert, sondern auch viele jener Güter, die für ein menschliches Dasein unerlässlich sind. Mit Finanzprodukten, die die leeren Kassen der Kommunen scheinbar entlasten, werden den Steuerzahlern unkalkulierbare Risiken aufgebürdet.

Stimmensammeln gegen Privatisierung

"Gegen die Privatisierung des Wassers! Unterschreiben Sie für das Referendum! Wasser muss öffentliches Gut bleiben!" Aufforderungen wie diese waren am vergangenen Wochenende aus Lautsprecherwagen zu hören, die durch Verona fuhren.

In ganz Italien sammelt derzeit ein Bündnis aus Gemeinden, Umweltorganisationen und Grünparteien Unterschriften, mit denen ein Referendum gegen die Privatisierung der Wasserversorgung erreicht werden soll. Die Regierung Berlusconi hatte ein Gesetz verabschiedet, das ab 2012 die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung ermöglicht.

Das Internet reiche als Ort der Kommunikation nicht mehr aus, sagt der Publizist Werner Rügemer. In Köln etwa kommen auf einem Platz jeden Montag Menschen zusammen, diskutieren anstehende Fragen oder laden Referenten ein. Denn nicht nur gemeinschaftlicher Besitz wird im Zug der Privatisierungen veräußert, sondern mit ihm auch die Entscheidungsfreiheit der Bürger.

Findige Finanzprodukte

Seit den 1990er Jahren waren immer neue Finanzprodukte entwickelt worden. In den USA etwa schufen Investoren das Modell Cross Border Leasing (CBL), mit dessen Hilfe sie Steuern sparen konnten, wenn sie um Hunderte Millionen Dollar Infrastruktur in Europa kauften. In Österreich, Deutschland und der Schweiz wurden Züge, Bahnhöfe, Straßenbahnen, Kläranlagen, Telefonnetze, Briefverteilung, Flugsicherung etc. mit CBL Verträgen vergeben.

Die Einrichtungen bleiben, wo sie waren und wurden aber von den vormaligen Eigentümern zurückgeleast. Verträge nach US-Recht, die Laufzeiten bis zu hundert Jahren haben und von Heerscharen von Anwälten ausgearbeitet wurden, legten den Verkäufern unabsehbare Pflichten auf. Die Finanzkrise verstärkte diese Risiken, doch der Ausstieg aus den Verträgen ist auch nach dem Ende der Steuerbegünstigung für diese Finanzprodukte in den USA schwierig.

Werner Rügemer hat sein Buch "Cross Border Leasing" der Stadt Kulmbach gewidmet, wo erstmals eine Bürgerinitiative die CBL- Pläne der Stadtregierung vereitelte. In diesem Buch findet sich eine lange Liste derer, die in Deutschland diese Deals verhindert haben. Aus Österreich sind keine derartigen Erfolge bekannt.

Private Beteiligung im öffentlichen Raum

CBL ist aber nicht das einzige Finanzprodukt, das Investoren lukrative Geschäfte mit der öffentlichen Hand eröffnet. Es sind auch die Privatisierungen, durch die mehr und mehr öffentliche Einrichtungen und Aufgaben gewinn orientierten Unternehmen in die Hand gegeben werden. Die Nachteile dieser Produkte sind oft nicht auf ersten Blick zu erkennen, sie liegen in ausgeklügelten Verträgen, die die Risiken auch hier den Verkäufern aufbürden.

PPP - Public Private Partnership - heißt ein weiteres Finanzprodukt, das Werner Rügemer als "Heuschrecken im öffentlichen Raum" definiert. Private Unternehmen bieten Kommunen mit leeren Kassen Hilfe an: Was auch immer in Stadt und Land benötigt wird, ob Schulen, ganze Stadtteile oder Straßen, wird finanziert und gebaut. Ihren Gewinn ziehen die Großkonzerne aus der jahrzehntelangen Bewirtschaftung der jeweiligen Einrichtung. Aber der Widerstand - etwa gegen die Privatisierungen - nehmen zu. Und selbst wenn es die Italiener nicht schaffen, mit dem Referendum den Ausverkauf ihrer Wasserversorgung zu verhindern, so haben sie es immerhin versucht.

Service

Werner Rügemer, "Cross Border Leasing. Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte", Westfälisches Dampfboot

Werner Rügemer
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Verlag Westfälisches Dampfboot