Stimmensammeln gegen Privatisierung
Bleibt Italiens Wasser öffentliches Gut?
Für die Regierung Berlusconi ist Wasser nicht mehr als eine Ware. Bis Ende 2010 - so der ursprüngliche Fahrplan - sollten die kommunalen Wasserversorger privatisiert werden. Viele Bürgerinnen und Bürger haben dem gesetzlichen Vorhaben jedoch den Kampf angesagt.
8. April 2017, 21:58
"... jene erreichen, die weniger auf soziale und ökologische Probleme achten."
Simona Savina, Koordinatorin des Aktionsbündnisses, über die Veranstaltungen am italienweiten Aktionstag
Das Aktionsbündnis Acquabenecomune
"Wir verlangen von der Regierung, dass sie den Privatisierungsprozess beendet, denn Wasser ist ein öffentliches Gut", sagt die junge Frau. Und der Mann neben ihr setzt nach. "Der Zugang zur Ressource Wasser muss frei und ungehindert sein."
Beide - sie aus Rom, er aus Neapel - haben sich die Verteidigung des Wassers auf ihre Fahnen geschrieben. Deshalb sind sie zu einem Aktionstag in das römische Zentrum gekommen. Deshalb engagieren sie sich im Aktionsbündnis Acquabenecomune - das wie der Name schon sagt, für Wasser als Allgemeingut kämpft. Fast zweihundert Gemeinden, einige Provinzen, Umweltorganisationen und Konsumentenschutzverbände weist das Bündnis auf. Und viele engagierte Bürger und Bürgerinnen.
Auslöser für die Kampagne war ein Gesetz der jetzigen Regierung Berlusconi. Ab 2012 sollen alle italienischen Staatsbürger von gänzlich oder zumindest teilweise privatisierten Gesellschaften mit Wasser versorgt werden. Das heißt: die kommunalen Wasserwerke müssen einen hohen Anteil ihres Aktienpaketes an Private vergeben. Im Durchschnitt an die 40 Prozent. Ein Dammbruch, finden nicht nur Kritiker der Privatisierung.
Gravierende Veränderungen
Ein kurzer Blick zurück: Das Land, das schon unter den antiken Römern für seine Aquädukte berühmt war, hatte Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts begonnen, seine Wasserversorgung den Gemeinden zu übertragen, die dafür gemeinnützige Gesellschaften gründeten. Fast neunzig Jahre später kam es zu ersten strukturellen Veränderungen: In den 1990ern entstanden Aktiengesellschaften. Die blieben zwar weiterhin in öffentlicher Hand, aber ab da war es nur mehr ein kleiner Schritt bis zu den ersten Privatisierungsversuchen.
Für Simona Savina, Koordinatorin des Aktionsbündnisses, ein absolut unakzeptables Ansinnen. "Wasser ist ein Grundrecht", sagt sie. Denn ohne Wasser kein Leben. Und etwas, das lebensnotwendig ist, dürfe nicht den Gesetzen des Marktes überlassen werden.
Aber genau das wurde in Italien auch schon vor dem neuen Gesetz vielerorts probiert. Mit teilweise unvorhersehbaren Folgen. So geschehen in Aprilia - südlich von Rom. Da hatte man bei der Privatisierung des blauen Golds die Rechnung wohl ohne den Wirt gemacht. Denn die erbosten Bürger der Stadt wehrten sich. Und beschlossen bereits 2005 einen Zahlungsstopp. Das Geld für die Wasserrechnungen ging nicht mehr an den privaten Wasserversorger, sondern wurde direkt auf das Konto der Gemeinde überwiesen. Aprilia wurde so zum Symbol des Widerstands gegen den Ausverkauf des Wassers.
Qualität sinkt, Preise steigen
Überall, wo Wasser privatisiert wird, zeigt sich das gleiche Szenario, beklagen viele Bürger und Bürgerinnen. Die Dienstleistungen verschlechtern sich, Leitungsverluste und Engpässe werden nicht behoben, die Preise aber steigen. Tariferhöhungen von 40 bis 50 Prozent sind an der Tagesordnung.
An manchen Orten sei es sogar zu unfassbaren 300 Prozent gekommen, entsetzt sich die Aktivistin Simona Savina. Für einkommensschwache Personen ein großes Problem. Immer mehr Pensionisten, sagt sie, können mit ihren kleinen Renten die immer höher werdenden Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen. Und Personen, die mit ihren Zahlungen in Verzug sind, werden eingeschüchtert oder gar von der Wasserversorg abgekoppelt.
Tatkräftige Renationalisierung
Das Gesetz der Regierung Berlusconi, das noch einmal an der Privatisierungsschraube dreht, hat aber das Fass zum Überlaufen gebracht. Es sei Zeit zu handeln, befanden viele Menschen. Und mancherorts - wie in Apulien - werden bereits Sonderwege gesucht. Nicht zuletzt unter der Patronanz des Gouverneurs der Region, Nichi Vendola. So sucht man in Apulien nicht nur einen Weg, um sich von der gesetzlichen Privatisierungspflicht zu befreien, man ist auch bereits zur Tat geschritten.
Vendola hat das apulische Wassernetz - mit 25.000 Kilometern das längste Europas - bereits wieder entprivatisiert. Ein einzigartiges Unterfangen. Denn internationale Rating-Agenturen bewerten das private Wassergeschäft hoch. Und raten - profitorientiert - zu Investitionen in diesem Sektor.
Entscheidung im Frühjahr
Um das zu unterbinden hat das Aktionsbündnis im vergangenen Jahr begonnen, Unterschriften für ein Referendum zu sammeln. 1,4 Millionen Menschen haben gegen die Privatisierung des Wassers unterschrieben. Ein italienischer Rekord. Einer, der umso erstaunlicher ist, als die nationalen Medien die Aktion faktisch negiert haben.
Mit diesem sensationellen Ergebnis wird jedoch ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Woche - naturgemäß - das Referendum bestätigt. Im Frühjahr werden die Italiener also abstimmen, ob sie eine Privatsierung des Wassers hinnehmen wollen oder nicht.
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Nichi Vendola - "Acqua"