Ein Meister des Versteckens
Maler Sigmar Polke gestorben
Einen der international angesehensten und erfolgreichsten Künstler der Nachkriegszeit ist tot. Sigmar Polke sei in der Nacht zum Freitag nach längerem Krebsleiden zu Hause in Köln gestorben, sagte sein Galerist Erhard Klein aus Bad Münstereifel der Nachrichtenagentur dpa. Polke wurde 69 Jahre alt.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 11.06.2010
Der im niederschlesischen Oels geborene Polke galt international als einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart. Zusammen mit Gerhard Richter führte er konstant den vom Wirtschaftsmagazin "Capital" ermittelten "Kunstkompass" an. Die Bilder des als sehr medienscheu geltenden Malers erreichten auf dem Kunstmarkt Preise im sechs- bis siebenstelligen Euro-Bereich. In seinen Werken thematisierte er oft politische und historische Themen.
Hintergründiger Humor
Sigmar Polkes Malerei erschließt sich nicht leicht und dann doch wieder leicht. Auf der Ebene des Malerischen, des Körpergefühls gegenüber Bildern, findet man sofort Zugang. Die großformatigen Gemälde neigen zu Helle und Transparenz, haben einen für Polke typischen, leichten, oft ironischen Gestus. Die kompliziertere Ebene der Bilder ist die der Inhalte im Detail. Verweise auf die Kunstgeschichte, Figuren aus Mythen und Märchen, Zeitgeschichte, repräsentiert durch Bildzitate aus Medien und Werbung.
Mit Persiflage ist bei Polke immer zu rechnen. In den 1960er Jahren kamen deutsche Urlaubsidyllen der Wirtschaftswunderzeit auf seinen Malereien und Zeichnungen vor. Ebenso ironisierte er die Massenvermarktung von Ikonen der Kunstgeschichte, indem er beispielsweise die Umrisse des Dürer-Hasen mit Gummibändern auf eine monochrom blaue Bildfläche montierte. In "Moderne Kunst" kommentierte er mit kritischem Witz Kunstströmungen wie das Informel.
Rasterpunkte
In den späten 1960er Jahren gründete Sigmar Polke mit seinem damaligen Freund Gerhard Richter unter anderen die Gruppe Kapitalistischer Realismus. Abgrenzung von der westlichen Konsumgesellschaft war nur ein Aspekt dieses beinahe dadaistischen Gruppennamens.
Rasterpunkte wie bei extrem vergrößerten Druckbildern, allerdings unregelmäßig und handgemalt, sind ein Element, das sich bis heute durch Polkes Werk zieht. Transparente, lackartige Malgründe, die den Keilrahmen durchscheinen lassen, ist ein anderes.
Heute zählen gerade auch Polkes Frühwerke zu seinen höchst bezahlten Arbeiten. In ihrem hintergründigen, frechen Humor sind sie charakteristisch für einen Künstler, der am Beginn seiner Karriere im Reflex auf den sozialistischen Realismus die bundesdeutsche Wirklichkeit mit Motiven vom Keks über die Wurst bis zur Socke als "kapitalistisch" persiflierte.
Spiritueller Beginn einer Karriere
"Ich stand vor der Leinwand und wollte einen Blumenstrauß malen. Da erhielt ich von einem höheren Wesen den Befehl: Keinen Blumenstrauß!" Mit diesem üppigen Schriftzug auf einem Gemälde würdigte Sigmar Polke, damals Student der Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie, den legendären Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela. Das war am 10. Dezember 1966 und die erste, wenngleich nur eintägige Einzelausstellung eines Künstlers, der später zu den international wichtigsten deutschen Gegenwartskünstlern zählen sollte.
Die Ausstellung von 1966, bei der Polke statt eines Blumenbildes lieber zwei Flamingos zeigte, war Teil einer einwöchigen Ausstellungsaktion, an der auch Polkes Studienkollege Gerhard Richter teilnahm. Heute werden beide konstant auf den ersten zwei Plätzen des vom Wirtschaftsmagazin "Capital" ermittelten "Kunstkompasses" der 100 weltweit gefragtesten Künstler geführt.
Öffentlichkeitsscheu
Polke distanzierte sich vom Geniekult rund um Künstler, indem er die Verantwortung für sein Werk abgeschoben hat und er stellte gleichzeitig die Macht von Museen, Juroren und Kuratoren in Frage.
Gesprächs- und Fotowünsche lehnt der als medienscheu bekannte Künstler kategorisch ab. "Keine Aufmerksamkeit!" ließ der Künstler apodiktisch über seine Kölner Galerie Michael Werner verlauten.
Der mehrfache Documenta-Teilnehmer Polke, der in zahlreichen Ausstellungen weltweit gewürdigt und vom Goldenen Löwen der Biennale Venedig bis zum niederländischen Erasmus-Preis mehrfach hoch ausgezeichnet wurde, war ein virtuoser Spieler. Auch mit der Öffentlichkeit spielte der prominente Künstler Versteck: Nicht Polke war zum Ansehen da, sondern seine Bilder. Und die bleiben.
Service
Mehr dazu in ORF.at
Sammlung Frieder Burda - Sigmar Polke
Mumok - Sigmar Polke
Capital - Sigmar Polke