Wirtschaftskomödie von Elfriede Jelinek

Die Kontrakte des Kaufmanns

Die österreichische Autorin Elfriede Jelinek ist heuer mit zwei Stücken bei den Wiener Festwochen vertreten. Nach "Rechnitz - Der Würgeengel" ist nun, am Ende der bis Sonntag dauernden Festwochen, ihre Wirtschaftskomödie "Die Kontrakte des Kaufmanns" zu sehen.

Kultur aktuell, 18.06.2010

Konkreter Anlassfall für sie das Stück zu schreiben, waren der BAWAG und der Meinl Skandal. Den ungewöhnlichen Theaterabend hat Nicolas Stemann inszeniert. Am Donnerstag, 17. Juni 2010 war im Wiener Museumsquartier Premiere. Das Stück ist noch bis zum Sonntag im Wiener MuseumsQuartier zu sehen.

Keine Pause

Der Abend beginnt ruhig und zivilisiert und Regisseur Nicolas Stemann erklärt die Spielregeln seiner Textumsetzungsmaschine: "Wir hier auf der Bühne werden keine Pause machen. Sie sind aufgefordert, jederzeit, wenn ihnen danach ist, eine Pause einzulegen. Als Zeichen unseres guten Willens lassen wir die Türen auf und auch das Licht ist die meiste Zeit leicht gedimmt. Sie dürfen dann natürlich auch wiederkommen. Es lohnt sich, ich glaube gegen Ende wird es nochmal ganz toll."

Und damit jeder weiß, wo man sich im Stück gerade befindet, werden auf einer Anzeigentafel die 99 Seiten des Stückes hinuntergezählt: "Irgendwann wird also auf dieser Anzeigetafel eine Null zu sehen sein. Dann haben wir es alle geschafft. Bis dahin wird aber noch einiges passieren auf dieser Bühne", kündigt Stemann an.

Aktionsreiches Spektakel

Und es passiert tatsächlich noch einiges - oder besser fast alles, was auf einer Theaterbühne passieren kann. Es wird gesungen und getanzt, gelesen und geschrien, mit Farbe geschüttet und durchs Publikum geklettert, Papier gefressen und Geld verbrannt. Es tauchen Wolfs-, Schafs- und Politikermasken auf, Riesenballons schweben durch den Zuschauerraum und zwischendurch Teile des Fußballspiels Mexiko Frankreich eingeblendet.

Und dann ist da auch noch der Text - wie immer bei Jelinek ein langes, sarkastisches Konvolut aus Sprachbildern und Redewendungen. Das zentrale Thema: Geld. "Der Rest von uns ist Bank" singt das Publikum auf Anweisung des Regisseurs.

Chor der ruinierten Kleinanleger

"Ich verstehe nichts von Wirtschaft oder nicht viel", sagt Elfriede Jelinek in einem Interview, "aber offensichtlich versteht die Masse der Geschädigten, die ihr Geld verloren hat, auch nicht viel mehr davon". Und diese Masse lässt sie im lamentierenden Chor der ruinierten Kleinanleger und Greise zu Wort kommen und führt die Phrasen und Versprechungen der Banker und Makler ad absurdum.

Als Jelinek das Stück 2008 geschrieben hat, tat sie das mit direktem Bezug auf BAWAG- und Meinl-Skandal. Mittlerweile, sagt Regisseur Stemann, sei das Stück nicht der Kommentar zur Wirtschaftskrise, sondern die Wirtschaftskrise der Kommentar zum Stück. Die lokalen Anspielungen auf die österreichischen Fälle, die bei den Aufführungen in Köln und Hamburg gekürzt wurden, sind jetzt wieder drinnen.

Kräftiger Applaus

Das Ende ist kurz vor Mitternacht, die Seitenanzeige wechselt von 1 auf 0, und der Applaus ist trotz Erschöpfung kräftig. Elfriede Jelinek gibt jedem Regisseur vollkommene Freiheit mit ihren Texten umzugehen. Und die heurigen Wiener Festwochen haben das breite Spektrum dessen gezeigt, was damit möglich ist - vom intensiv-berührenden, kammerspielartigen Stück "Rechnitz" des Jossi Wieler bis hin zum ausufernd-orgiastischen Spektakel "Die Kontrakte des Kaufmanns" von Nicolas Stemann. Beide gehören sicherlich zu den Glanzlichtern des diesjährigen Festwochenprogrammes.

"Die Kontrakte des Kaufmanns" sind noch bis zum Sonntag im Wiener Museumsquartier zu erleben.