Enttäuschungen und Triumphe

Bilanz der Wiener Festwochen 2010

Die Wiener Festwochen gehen am Sonntag offiziell zu Ende. Die Zahlen über Auslastung und die wirtschaftliche Bilanz sollen am Montag bekannt gegeben werden. Wir ziehen bereits eine künstlerische Bilanz des Festivals.

Morgenjournal, 19.06.2010

Die Wiener Festwochen gehen morgen offiziell zu Ende. Die Zahlen über Auslastung und die allgemeine wirtschaftliche Bilanz sollen am Montag bekannt gegeben werden.

Gut seien die Festwochen für ihn gelaufen, sagt Luc Bondy und da meint er wohl eher das Gesamtprogramm, nicht seine eigenen Inszenierungen. Denn diese, eine englische Aufführung von Schnitzlers "Liebelei" und die "Helena" des Euripides in der Neuübersetzung von Peter Handke kamen bei Publikum und Kritik eher wenig an.

Dafür sind die viele Leute im Vorfeld erschreckenden Theatermarathons aufgegangen und haben Jubelstürme ausgelöst. Die zwölf Stunden von Peter Steins Fassung der Dostojewski-"Dämonen" in italienischer Sprache waren gewiss ein Höhepunkt und Peter Stein bedankte sich bei Bondy coram publico für diese Einladung.

Die zehn Stunden von Robert Lepages Theatererzählung "Lypsinch" wurden ebenso gefeiert und auch die Krystian Lupas sechs Stunden über die Factory von Andy Warhol in polnischer Sprache waren interessant. Luc Bondy freut sich : "Super, wo kann man solche Aufführungen sonst sehen?"

Zwölf Stunden Stein
Oft sind zwölf Stunden Stein nämlich kurzweiliger als eine Stunde lähmendes Theater. Auch davon gab es natürlich einiges bei den Festwochen. Der Jelinek-Schwerpunkt mit den beiden Stücken "Rechnitz" und "Die Kontrakte des Kaufmanns" wurden gut angenommen. Auch an vielen kleineren Spielorten gab es spannende und interessante Theaterperformances aus den verschiedensten Kontinenten, von Tokio bis Buenos Aires.

Triumph von Schlingensief
Dass Christoph Schlingensiefs neueste Arbeit spät noch in das Programm hineingenommen wurde, gereichte den Wiener Festwochen ebenfalls zur Ehre und zu einem Triumph. Die Arbeit der Festwochen-Schauspielchefin Stefanie Carp ist größtenteils aufgegangen.

Einziges Manko ist oft, dass man bei den internationonalen Produktionen bisweilen öfter auf die deutschen Übertitel als auf die Bühne schaut.

Musiksparte in der Kritik
Die Sparte Musik bei den Festwochen ist allerdings in den letzten Jahren in die Kritik geraten. Musikchef Stéphane Lissner, zugleich Direktor an der Mailänder Scala, wird in Wien gerne kritisiert. Das Programm sei beliebig, austauschbar und zu klein, sodass man bald ganz darauf verzichten könnte, meinten einige selbsternannte Experten.

Lissner konzentriert sich zumeist auf weniges, im heurigen Jubiläumsjahr war es zu Recht Alban Berg. Allerdings waren die beiden Opern "Wozzeck" und "Lulu" Einkäufe und keine Eigenproduktionen. Diese wurden sehr unterschiedlich bewertet.

Musiktheater sei teuer und zwei Opern seien viel, sagt Bondy. Bis 2013 wird Luc Bondy noch die Festwochen als Intendant leiten. Die Diskussionen über Strukturreformen und Nachfolge werden gewiss demnächst heftiger werden.