400.000 Kirgisen auf der Flucht

Usbekistan stößt an Grenzen

In der zentralasiatischen Republik Kirgistan kommt es weiterhin zu Zusammenstößen zwischen den Kirgisen und der usbekischen Minderheit. Bei den Unruhen der vergangenen Wochen sollen insgesamt bis zu 2.000 Menschen getötet worden sein. Mehrere hunderttausend Menschen sind auf der Flucht, großteils in den Nachbarstaat Usbekistan.

Mittagsjournal, 22.06.2010

"Erstaunliche Leistung"

400.000 Menschen sind nach Schätzungen der UNO nach den Unruhen in Kirgistan auf der Flucht. 75.000 bis 100.000 davon haben die Grenze nach Usbekistan passiert. Zumindest dieser Teil der Flüchtlinge ist nach Meinung von Andreas Bründer, des Landeskoordinators der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" inzwischen mit dem Nötigsten versorgt: "Die Flüchtlinge sind in ehemaligen Kinder-Ferienlagern und Schulen untergebracht. Die usbekische Regierung hat erstaunliches geleistet: In kürzester Zeit wurden viele Lager aufgebaut, die Menschen werden mit drei Mahlzeiten täglich versorgt und haben Wasser", schildert Bründer.

Psychologische Betreuung

Doch die Flüchtlinge brauchen noch etwas anderes, sagt Andreas Bründer, und hier läuft die Hilfe gerade erst an. "Die Menschen haben schreckliches erlebt und sind traumatisiert. Sie brauchen psychologische Betreuung und Gesprächstherapie. Viele Flüchtlinge haben Familienmitglieder in Kirgistan oder auf dem Weg nach Usbekistan, verloren. Viele Menschen wurden getötet oder mit Macheten und anderen Werkzeugen schwer verletzt."

Entspannung in Sicht?

Trotz dieser schrecklichen Erlebnisse ist ein Wunsch in den Lagern deutlich zu spüren: "Die meisten Menschen sagen ganz klar: sie möchten zurück. Ihre Familien sind in Kirgistan, sie möchten zurück in ihre Häuser und Wohnungen", erklärt Bründer.

Während vor einigen Tagen noch zusätzliche Flüchtlinge über die Grenze nach Usbekistan geströmt sind, kündigt sich nun offenbar bereits eine Wende an, meint der Einsatzleiter der Ärzte ohne Grenzen: "Heute morgen haben einige Leute in den Auffanglagern bereits ihre Koffer gepackt, um wieder nach Kirgistan zurück zu kehren. Genaue Zahlen gibt es noch nicht. Die nächsten Tage werden noch spannend, sobald die Sicherheitslage wieder besser ist, werden die meisten nach Hause gehen."

Weiter Unruhen in Osch

Die Sicherheitslage ist immer noch das Problem. Am Rande der Stadt Osch, die in den letzten Wochen eines der Zentren der Unruhen war, hat es neue Gewaltakte gegeben. Verübt, so erzählen Augenzeugen, von jenen kirgisischen Soldaten, die eigentlich in den Süden des Landes entsandt wurden, um die Gewalt einzudämmen. Die Soldaten sollen in einem usbekischen Viertel geplündert und Einwohner verprügelt haben. Zwei Menschen seien auch getötet worden, erzählen die Bewohner des Viertels.

Hilfe aus dem Ausland

Was, wenn die Gewalt weitergeht? Für Hilfskoordinator Bründer in Usbekistan ist klar: "Langfristig ist die usbekische Regierung nicht darauf eingestellt, die Flüchtlinge aufzunehmen. Zwar hat Usbekistan erstaunliches geleistet und die Menschen sehr gut versorgt. Aber die Regierung hat auch bereits nach wenigen Tagen die Internationale Gemeinschaft aufgerufen, zu helfen. Die finanzielle Belastung ist sehr hoch. Doch es gibt keinen Druck auf die Flüchtlinge, sofort wieder zurück zu kehren." Entspannt sich die Lage also nicht, so wird Usbekistan große Hilfe aus dem Ausland benötigen.