Bandion-Ortner will Parteien überzeugen
Gemeinsame Obsorge nach Scheidung
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) will, dass nach Scheidungen automatisch beide Eltern das Sorgerecht für die Kinder behalten. Teile der Regierung und der Opposition muss Bandion-Ortner davon aber noch überzeugen. Am Mittwoch findet dazu eine Enquete mit allen Parteien und zahlreichen Experten statt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 22.06.2010
Gemeinsame Obsorge
Rechtlich ist die Gemeinsame Obsorge in Österreich schon länger möglich. Seit 2001 haben Eltern die Möglichkeit, nach Scheidungen das gemeinsame Sorgerecht bei Gericht zu beantragen. Dann kann zum Beispiel gemeinsam entschieden werden, wo das Kind wohnt, in welche Schule es geht oder welche ärztliche Behandlung es bekommt. Eltern von unehelichen Kindern können die gemeinsame Obsorge schon seit mehr als 20 Jahren beantragen.
Sorgerechtsentzug in Problemfällen
In allen Fällen müssen die Eltern einen Antrag bei Gericht stellen, damit beide das Sorgerecht bekommen. Das heißt, sie müssen sich einig sein und beide zustimmen. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kann sich jetzt vorstellen, das umzudrehen. Nach einer Scheidung sollen automatisch beide Eltern weiterhin für die Kinder zuständig sein. Nur im Problemfall soll das Gericht einem Elternteil das Sorgerecht entziehen.
Vorbehalte in Regierung
Derzeit nimmt etwa die Hälfte aller geschiedenen Paare die Möglichkeit einer gemeinsamen Obsorge in Anspruch. Studien zeigen, dass alle Betroffenen zufriedener sind, dass es mehr Kontakte zum Kind und weniger Eskalation gebe, so die Argumente von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Doch in der Regierung gibt es Vorbehalte gegenüber einer automatischen gemeinsamen Obsorge.
Marek: "noch diskutieren"
Kritik übt beispielsweise auch Familienstaatssekretärin Christine Marek (ÖVP): "Vieles ist noch unklar, etwa die Frage, wie wir für die Väter und die Rechte der Väter mehr Möglichkeiten schaffen können. Inwieweit eine automatische Gemeinsame Obsorge Sinn macht, müssen wir noch diskutieren."
Heinisch-Hosek skeptisch
Große Skepsis herrscht beim Koalitionspartner. Sie sei zwar erfreut, wenn die Hälfte der Eltern nach Scheidungen schon jetzt die gemeinsame Obsorge in Anspruch nimmt, so Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). "Ich frage mich aber, warum die zweite Hälfte das nicht tut. Daher bin ich sehr, sehr skeptisch, was eine automatische Gemeinsame Obsorge anlangt. Wenn man das per Gesetz verordnet, die Eltern aber bis aufs Blut streiten, weiß ich nicht, ob das dem Wohl des Kindes entspricht", sagt Heinisch-Hosek.
FPÖ für automatische Gemeinsame Obsorge
Unterschiedlich beurteilen die Oppositionsparteien die automatische Gemeinsame Obsorge. Ganz klar dafür spricht sich die FPÖ aus und zwar sowohl im Scheidungsfall als auch bei unehelichen Kindern. Es sei eine Möglichkeit, Zwistigkeiten auszuschalten und es zeige sich auch, dass die Kontakte zum Kind weniger oft abgebrochen werden, so die freiheitliche Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller: "Ideal ist natürlich, wenn die Eltern verheiratet sind. Aber es geht hier um das Recht des Kindes. Das Kind hat das Recht auf beide Eltern, egal ob die Eltern verheiratet sind, oder nicht."
BZÖ: "Idealfall 50-50"
Auch BZÖ-Obmann Josef Bucher ist dafür, die Gemeinsame Obsorge automatisch im Gesetz festzulegen: "Das ist eine enorme Weiterentwicklung. Wir wollen nicht, dass es hier Bevorzugungen und Benachteiligungen gibt, sondern dass es Rechte für beide Seiten gibt. Sowohl für Mütter als auch für Väter. Im Idealfall sollte die Obsorge 50-50 sein."
Grüne: "Realitätsfern"
Anders die Grünen: eine automatische gemeinsame Obsorge für alle kann nicht funktionieren, so Grünenchefin Eva Glawischnig: "Gemeinsamkeiten zu verordnen ist in unserer Welt einfach nicht möglich. Wenn es Streitereien gibt, dann ist das so, und man muss diese unterstützend lösen. Ich halte den Vorschlag der Justizministerin in der Realität für nicht durchführbar."
Grüne für Schlichtungsstelle
Das Grüne Modell: Geht es reibungslos, soll es die Gemeinsame Obsorge geben. Konfliktfälle sollen aber von einer Schlichtungsstelle und oder dann von einem Gericht gelöst werden. Die Enquete am Mittwoch im Parlament ist gewissermaßen der Startschuss für die Verhandlungen zwischen den Parteien zu möglichen Änderungen bei der Gemeinsamen Obsorge.