Nicht nur in der Nationalbibliothek
Geraubte Bücher: Die Suche geht weiter
Vor drei Wochen hat die Nationalbibliothek tausende Bücher zurückgegeben, die während des Nationalsozialismus geraubt und dem Bestand einverleibt worden waren. Nun wird auch die Bibliothek des Parlaments nach geraubten Büchern durchforstet. Und Historiker halten das auch bei anderen Bibliotheken für nötig.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.06.2010
Im Staatsarchiv nachforschen
Die Suche nach geraubten Büchern und ihre Rückgabe an ehemalige Besitzer oder deren Erben sei in Österreich keineswegs abgeschlossen, sagt die Historikerin Eva Blimlinger. Sie war für die Historikerkommission tätig und ist Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung. Weitere Nachforschungen über Bücher, die in der NS-Zeit geraubt und dem Bestand von Bibliotheken einverleibt wurden, seien nötig. Das sollte vor allem in den Bibliotheken des Bundes passieren. Beispiele: die Administrativbibliothek, auf die alle Ministerien zugreifen, aber auch das Staatsarchiv. "Hier wäre vor allem die Provenienz jener Akten zu prüfen, die vor kurzem aus Moskau gekommen sind, aber auch Einlieferungen aus Familienarchiven in der Zeit zwischen 1938 und 1945."
Auch private einbeziehen
Der Historiker Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien, ist auch für die Einbeziehung privater Bibliotheken, auch Vereinsbibliotheken, in Nachforschungen über geraubte Bücher. Damit würde ein Signal gesetzt, "dass das Thema Entschädigung und Auseinandersetzung mit der Shoah in der Zivilgesellschaft ankommt.
Suche geht weiter
Die Nationalbibliothek hat vor wenigen Tagen mehr als 8.000 Bücher zurückgegeben - nicht an die ehemaligen Besitzer, die lassen sich nicht mehr herausfinden, sondern an den Nationalfonds für NS-Opfer. Die Bücher wurden gleich wieder zurückgekauft und verbleiben speziell markiert in der Nationalbibliothek. Der Erlös kommt aber überlebenden NS-Opfern zugute. Die Rückgabe-Bemühungen der Nationalbibliothek gehen aber weiter, sagt Generaldirektorin Johanna Rachinger: Einige tausend Bücher seien noch nicht restituiert, über den Nationalfonds würden nun aber noch einmal überlebende Eigentümer oder Erben gesucht.
"Deckel zu früh drauf gemacht"
Eine Bibliothek des Bundes, in der ebenfalls die Suche nach geraubten Büchern läuft, ist die des Parlaments. Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hat zuletzt einen Bericht noch für dieses Jahr angekündigt: "Man darf ja nicht vergessen, dass das Parlament der Sitz der NS-Gauleitung war, dass 1945/46 Teile der Bibliothek an andere Sammlungen zurückgeben hat und dann den Deckel drauf gemacht hat, heute muss man sagen, zu früh drauf gemacht hat. Denn so wie wir jetzt die Recherchen sehen, ist das bei weitem nicht erledigt." Sollte sich herausstellen, dass die Parlamentsbibliothek geraubte Bücher enthält, so Prammer, dann werden sie nach Möglichkeit an die früheren Besitzer oder deren Erben zurückgegeben.