Appell von Menschenrechtsjuristinnen

"Amnestie" für Zuwanderer

Drei renommierte Juristinnen nehmen den Fall Zogaj zum Anlass, um eine menschenrechtliche Bilanz über das Asyl und Fremdenrecht in Österreich zu ziehen. Ihre Kritik: Die Politik dürfe sich nicht hinter der Justiz verstecken. Sie fordern eine "Amnestie" für illegale Zuwanderer, wenn ihre Verfahren eine zu lange Zeit überschreiten, oder wenn sie als Kinder nach Österreich gekommen sind.

Mittagsjournal, 26.05.2010

"Gericht hat keine politische Verantwortung"

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über das Schicksal der Familie Zogaj hätte durchaus auch anders ausfallen können. Trotzdem liege das Erkenntnis des Höchstgerichtes im Rahmen der Gesetze und ist deshalb zu respektieren, sagt Barbara Helige, Präsidentin der Liga für Menschenrechte: "Dem Verfassungsgerichtshof kann nicht die politische Verantwortung für das Leben und den Aufenthalt aller Fremden in Österreich überantwortet werden." Dafür seien Politik und Gesellschaft verantwortlich, sagt Helige.

Anerkennung in Uraltverfahren

Obwohl Österreich in den letzten Jahren keine großen Flüchtlingswellen verkraften mussten, werden Fremde in der Öffentlichkeit häufig als Problem dargestellt. Asyl werde mittlerweile automatisch mit Asylmissbrauch gleichgesetzt, kritisiert Helige. Die langjährige Vorsitzende der Richtervereinigung fordert ein Umdenken der Politiker: "Wir machen einen Schnitt, wir anerkennen die Uraltverfahren dort, wo die Menschen integriert sind." Schließlich liege es auch am Staat, dass die Menschen so lange auf ihre Entscheidung warten müssen. "Gewähren wir bis zu einer gewissen Grenze eine Möglichkeit, in Österreich zu bleiben."

Gesetz kaum anwendbar

Vielleicht brauche man Arigona Zogaj für ein Umdenken, sagt auch die Menschenrechtsanwältin und Vorsitzende von SOS-Mitmensch, Nadija Lorenz. Sieben Mal wurde das Fremdenrecht in den letzten 10 Jahren novelliert und verschärft, kritisiert Lorenz. Die Gesetz seien kaum mehr anwendbar und zu verstehen von jenen, die davon betroffen sind. Bei den Behörden selbst kenne man sich damit nicht aus.

"Humanitäre Hilfe nicht verboten"

Für Maria Wittmann-Tiwald, Grundrechtsexpertin der Richtervereinigung, darf sich die Politik nicht hinter dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis im Fall Zogaj verstecken: "Man kann nicht so tun, als ob der Verfassungsgerichtshof eine humanitäre Hilfe verbieten würde." Immerhin habe der VfgH in seinem Erkenntnis sogar eine legale Rückkehr der Familie angeregt, betonen die Juristinnen.

Ruf nach "Amnestieregelung"

Um derartige Fälle in Zukunft zu verhindern gibt es durchaus Möglichkeiten, die auch durch internationale Übereinkommen wie die UN-Kinderrechtskonvention untermauert werden, sagt Wittmann-Tiwald. Sie ruft dazu auf, eine "Amnestieregelung" für jene Personen zu schaffen, die als Kinder nach Österreich gekommen und hier integriert sind. Denn Amnestien seien im Steuerrecht oder auch bei Strafsachen gang und gebe. Warum dann nicht auch, bei Verwaltungsvergehen wie einer illegale Einreise, sagt Wittmann-Tiwald.

Zogajs: Ausreise nach Schulabschluss

Im Fall der Familie Zogaj ist jetzt mit der Bezirkshauptmannschaft vereinbart worden, dass die freiwillige Ausreise erst nach Schulschluss erfolgen wird, damit die Kinder das Schuljahr abschließen können. Das hat heute die Volkshilfe die die Familie betreut, bekannt gegeben, Ein fixes Datum wurde nicht vereinbart.